Auf Stanislausens Seiten entwickelte sich in einer Kommentarspalte eine kleine Debatte, wieviel - und ob und überhaupt - deutsches Kirchenlied ein Amt im außerirdentlichen Ritus verträgt (oder braucht). Der Auslöser war der Ingrimm unseres Kölner Rundumkorrespondenten über die jahrein, jahraus vorherrschende Tendenz, jeden Gottesdienst zwischen Heiligabend und Neujahr (oder auch Epiphanie) in der Art einer "Weihnachtsmesse" zu feiern, Erzmärtyrer, Lieblingsjünger etc. hin oder her. Ein Kind jener berühmt-berüchtigten "südwestdeutschen Liberalität", schrieb ich in einem Kommentar, daß auch ich in der Tat etwa am Stephanstag weiter Weihnachtliches singen lasse, weil man in lateinischen Choralämtern ohnehin kaum Gesänge in der Landessprache unterbringen kann und zumindest die "Klassiker" unter den Weihnachtsliedern mindestens einmal vorkommen sollten. Was nun wiederum bei Gregor Widerspruch weckte:
"Wozu braucht man denn in der Messe überhaupt deutsche Lieder? Im gesungenen Amt ist das überhaupt nur aufgrund eines Kardinal Bertram für das Dt. Reich in den Notzeiten des 2. Weltkriegs erlaubten Indults möglich (man müßte mal einen Kanonisten fragen, ob tatsächlich mit Summorum Pontificum auch alle alten Indulte wieder aufgelebt sind). Wo Not am Mann ist, mag man das machen. Aber daß selbst viele Freunde der Tradition das geradezu als erstrebenswert betrachten, ist wirklich zum Haare raufen. Als hätte es das liturgische Erwachen nach Dom Guéranger nie gegeben. Betsingmesse *schüttel*."
Ich räume ein, daß ich die Sache mit den deutschen Liedern etwas lockerer sehe. Noch zu FSSPX-Zeiten versah ich längere Zeit in einem Priorat den Orgeldienst, dessen sonntägliches Hochamt nebst Proprium und Ordinarium mit deutschen Liedern vor dem Asperges, vor der Predigt, ggf. zum Opfergang, vor der Kommunion und zum Auszug meinethalben etwas zu üppig gerüstet war. In den beiden bischöflich genehmen Basler Gemeinden, in denen ich heute aktiv bin, herrscht leichte Diversität: Auf der Grundlage einer Choralmesse und des teils ausgesungenen, teils psalmodierten Propriums kennt man morgens in St. Antonius ein Lied vor der Predigt, zum Opfergang und zum Ende, derweil nachmittags in St. Joseph deutsche Lieder nur vor dem Asperges und zum Auszug statthaft sind - hier führt das Institut Christus König erkennbar das Regiment. Ein drittes Lied hat hier freilich am Ende der vorgängigen Sakramentsandacht seinen Platz. Soweit die Praxis, wie ich sie erlebe - und mit der ich gut leben kann.
Zur Theorie: Das von Gregor erwähnte Indult ist ein Papiertiger, da die Betsingmesse ihre Geburtsstunde faktisch viel früher erlebte und zu einem nationalen Sondergut erwachsen ist, welches man sicher nicht mögen muß, das aber als Form einer kulturellen Anverwandlung der römischen Liturgie an deutsche Gepflogenheiten einen gewissen Respekt verdient (vor allem dann, wenn man nicht faul auf vorgestanzte Liedreihen zurückgreift, sondern die deutschen Gesänge als Echo auf die Liturgie auswählt).
Pastoralen Erwägungen ins Feld zu führen, ist, zugegebenermaßen, immer eine etwas windige Angelegenheit, da unter diesem Schlachtruf vor allem seit dem Konzil viel Schindluder getrieben wird. Dennoch sollte man meines Ermessens das Kind nicht mit dem Bad ausschütten. Nicht jeder findet einen leichten Zugang zu einer völlig lateinischen Liturgie. Und eine Katechese, die diesen Zugang erleichtern könnte, kommt noch immer viel zu kurz. Zudem steht einer praktischen Realisierung des "idealen" Choralamtes häufig die Unzulänglichkeit der zur Verfügung stehenden Kräfte gegenüber - was allerdings nicht heißt, daß man deswegen gleich den Büttel ganz hinschmeißen muß. Ehe sich aber eine überforderte Schola durch sämtliche Teile der Liturgie kämpft, lasse ich lieber das Volk hier und da ein deutsches Kirchenlied singen - und verbinde so das Nützliche mit dem Angenehmen (was dabei nützlich ist und was angenehm, hängt von der Perspektive ab) - zumal, wenn man die Möglichkeit hat, auf textlich und musikalisch hochwertiges Liedgut zurückgreifen zu können.
Gregors Verweis auf Dom Guéranger mag ich nicht ganz folgen, da man sich von den Ideen und Idealen dieses hochachtbaren Benediktiners zwar inspirieren lassen kann, man aber auch im Hinterkopf haben sollte, daß Guéranger historisch und soziokulturell in einem Humus wurzelt, den man nicht einfach über die deutsche Erde drüberkippen kann, ohne ein gutes Stück eigener Kultur damit zuzuschütten. Das Katholische ist nicht die klonverwandte Restauration einer bestimmten Liturgieform für alle Zeiten an allen Orten, sondern das Durchtränken des eigenen Erbes mit dem Geist der römischen Liturgie: So entsteht echte Einheit in einer echten Vielfalt.
5 Kommentare:
Es ist die Frage, wie ich mit diesem Erbe umgehe. Wenn mir keine Schola oder kein Kantor zur Verfügung steht (ganz gleich, ob ordo novus oder originis), habe ich nichts gegen Lieder, die entweder den entsprechenden Psalmvers des Propriums paraphrasieren oder zumindest inhaltlich passen. Beim Ordinarium sollte man da schon genauer sein. Einfach nur Lieder singen zum Wohlfühlen und Schönfinden ist da zu wenig. Hier fordere ich tatsächlich etwas mehr "Konzilsanerkennung" von den Verantwortlichen ;-)
Nachtrag: Es gibt ja neben der Heiligen Messe noch andere Formen von Gottesdiensten, in welchen Weihnachtslieder bis zum Abwinken gesungen werden können. Andachten zum Beispiel!
Nun ja, es geht natürlich nicht darum, Lieder zwecks "Schönfinden und Wohlfühlen" zu singen. Natürlich setze ich voraus, daß sich der Kerngehalt der jeweiligen liturgischen Momente auch in den Liedern deutlich wiederfindet - wenn dann auch noch das Gemüt besonders angesprochen werden kann: umso besser.
Um weitere Andachtsformen ist es zumindest in den MP-"Gemeinden" oft arm bestellt, da man schon froh ist, die Messfeier genehmigt zu bekommen, und die Ordinarien in der Regel auch alles unterbinden, was für den Aufbau einer festen "altrituellen" Gemeindestruktur sorgen könnte. Diverse Institute und Brudenschaften haben da bessere Möglichkeiten.
Aber die MP-Gemeinden haben doch noch ihre ordo novus-Angebote, die meist mehr mit Liedern überfrachtet sind als die des ordo originis.
Nstürlich gibt es das ein oder andere Angebot. Ob man da dann hingehen kann, ist eine andere Frage und hängt nicht zuletzt von der jeweiligen Gemeinde ab. Beispielswegen bleibe ich irgendwelchen kfd-Maiandachten lieber fern. Überhaupt: Die klassische Andacht mit Gebet, Aussetzung und Litanei ist etwa in Zollitsch-City kaum noch zu finden. Und wenn, dann mit diesen drögen Texten aus dem Gotteslob. Wer's mag ... ;-)
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