(1) So sieht meine Pfarrkirche aus, heute. Im vergangenen Jahr feierte das Gotteshaus die einhundertjährige Wiederkehr seiner Weihe. Das Bild beschreibt den Zustand nach zwei tiefgreifenden Umgestaltungen, die beide nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil stattfanden. Zuletzt legte vor einigen Jahren der in Robbies Reich meines Ermessens ebenso überschätzte wie leider vielbeschäftigte Helmut Lutz seine Hand an den Bau - nachdem man kurz nach dem Konzil die Kirche einem gewaltigen Bildersturm unterzogen hatte. Diese erste Umgestaltung sorgte für fast ausschließlich nackt-weiße Wände, einen häßlichen Zelebrationsklotz und ein noch viel häßlicheres Rumstehkreuz. An der Rückwand des Chores hingen einige von Emil Wachter entworfene Wandbehänge, die sich ästhetisch der postkonziliaren Sinnesverweigerung anschlossen. Davor stand die Sitzbank für den "erhöhten Herrn", das Tabernakel wurde an die Seite geklatscht. Bei der zweiten Umgestaltung, dürfte jetzt etwa zehn Jahre her sein, holte man einige Reste der alten Ausstattung zurück in die Kirche. Lutz inszenierte drumherum sein Konzept, über das Ergebnis mag man streiten, aber es ist immerhin besser als der vorherige Zustand.
(2) Ich zählte, irgendwann in den 1970er-Jahren, zu den Ministranten meiner Pfarrkirche, als mir eines Tages ein Bildband zum Zweiten Vatikanischen Konzil in die Hände fiel: Die Welt aber soll erkennen lautete der Titel. Die ersten Seiten waren dramaturgisch geschickt zusammengeschustert. Man blätterte sich durch Not und Elend und Leid der Welt, begleitet von melodramatischen Bildbeschreibungen ("inmitten von Kriegen und" etc. etc.), bis man eine Seite aufschlug, die den Einzug der Konzilsväter in die Peterskirche zeigte. Nun wußte ich bereits, daß es irgendeine Verbindung zwischen diesem Konzil und der Verwüstung meiner Pfarrkirche gab. Das Konzil hatte also schon damals bei mir schlechte Karten. Als ich die weißen Mitren sah, die sich da über den Petersplatz drängelten, mußte ich unweigerlich an die kargen Wände meiner Kirche denken ...
(3) Daß ich das Konzil nicht mag, ist angelegentlich bereits aufgefallen. Was ich vor einiger Zeit anregte, nämlich eine blogozösane Diskussion über Sinn und Unsinn dieser Veranstaltung, möchte ich in nächster Zeit möglichst ein wenig vorantreiben. Trotz der eingangs geschilderten Umstände hoffe ich, daß meine Abneigungen nicht auf ein (na ja) "frühpubertäres Trauma" reduziert werden, wenngleich gewisse Erfahrungen dem Leben in der Tat eine Prägung geben können (zumal ich das Glück hatte, seit etwa meinem dreizehnten Lebensjahr zunehmend mit einem vorkonziliar geprägten Katholizismus in Kontakt zu treten).
(4) Ich möchte, und das ist der eigentliche Zweck dieses Eintrages, vorab zwei Punkte benennen, die eine Art Rahmen meiner kritischen Anmerkungen zum Konzil bilden:
--- Da ich nicht die ganze Weltkirche im Blick habe, beschränke ich mich auf die Nachwirkungen des Konzils in der westlichen Welt, vornehmlich in Europa. Ich halte dies insofern für legitim, alldieweil sich das Konzil überwiegend mit Themen beschäftigte, die besonders den westlichen Episkopat interessierten. Dieser Episkopat war es schließlich auch, der auf dem Konzil das große Wort geschwungen hatte.
--- Ich unterscheide nicht zwischen Konzil und Konzilsgeist. Für mich ist der Konzilsgeist der konsequente Ausfluß eines Konzils, dessen Texte im Ungefähren versumpfen. Diese Uneindeutigkeit wurde, sofern sie nicht gar gewollt war, billigend oder einfach aus Dummheit in Kauf genommen. Dabei ist es egal, welcher Seite man das Ohr neigt: Die Konservativen beklagen seit jeher die Schwammigkeit der Konzilsdokumente, derweil die Progressiven jammern, daß man gerne noch viel revolutionärer formuliert hätte, wäre man nicht gezwungen gewesen, gewisse "traditionelle" Standards einzuhalten, um die Beschlüsse mehrheitsfähig zu machen (solch Litanei zieht sich beispielsweise durch Otto Hermann Peschens Buch Das Zweite Vatikanische Konzil. Vorgeschichte - Verlauf - Ergebnisse - Nachgeschichte).
1 Kommentar:
Konzilsgeist - Konzil. Ist das wirklich kein Unterschied? Konzilsgeist hat sich doch vor allem bei denen eingestellt, die nicht am Konzil teilnahmen. Und die wenigsten von ihnen haben die Dokumente mit all ihren Feinheiten gelesen. (Ich auch nicht. Sie?) Dieser Konzilsgeist speist sich also vor allem aus dem, was die Laien von dem Konzil mitbekamen, und das war (wie auch von Kritikern gerne angeführt) nicht immer das, was in den Dokumenten auch wirklich stand. (Bestes Beispiel: Latein als Hauptliturgiesprache in Sacrosanctum Concilium)Eine Trennung wäre also allein schon deswegen angebracht, um zu verstehen, mit was da eigentlich gehadert wird...
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