Dienstag, 19. Oktober 2010

Und wieder ist die Kirche schuld



Alles fing ganz harmlos an. Betuliches Tüdeldü als Intro, schon guckte mir treuherzig ein römisch-katholischer Laientheologe aus der Glotze ins Wohnzimmer - schwarze Hose, schwarze Weste, schwarzer Gehrock, weißes Hemd: Das Wort zum Sonntag, im Schweizer Fernsehen SF1, am vergangenen Samstagabend. 

Warum die Bibel für viele Menschen heute keine große Bedeutung mehr habe, lautete die Eingangsfrage. Schließlich sei sie doch "die Heilige Schrift". Aber manchmal zuckten selbst die Schüler zusammen, stünde er mit der Bibel in der Hand vor der Klasse, wußte der Theologe zu berichten. Wo doch die Bibel im Zentrum der Verkündigung stehe ...

Dann kam einer dieser verdächtig ausgelutschten Sätze ... Dem Theologen sei, natürlich neulich erst, ein Zeitgenosse über den Weg gelaufen. Dieser wiederum habe klipp und klar gesagt, daß ihm nicht klar sei, was die Verkündigung kirchauf, kirchab mit seinem Leben zu tun haben soll. Was fiel dem Theologen nun dazu ein? 

Daß die Menschen wieder lernen müßten, das Tor des Herzens zu neigen, um eine Wendung aufzugreifen, die recht markant am Anfang der Benediktsregel steht? Vielleicht etwas sehr idealistisch gedacht. Daß, um Paulus aufzufahren, Glaube vom Hören komme und man daher in die Katechese besondere Sorgfalt investieren müsse? Sicher zu technisch.

Für den Theologen im Gehrock war die Sache jedenfalls klar wie Klosbrühe: Die Kirche ist schuld mit ihren Lehren, die sie dauernd vom Stapel läßt. Diese seien weit weg von der Lebenswirklichkeit der Menschen. Dazu hatte er gleich drei Beispiele auf Lager:

Da wollen geschiedene Menschen eine neue Partnerschaft eingehen und erneut heiraten ... Die KATHOLISCHE KIRCHE sagt NEIN.
Da wollen Eltern selbst bestimmen, wann und wie viele Kinder sie zeugen und gebären ... Die KATHOLISCHE KIRCHE sagt NEIN.
Da wollen lesbische und schwule Menschen das Bettchen teilend einfach zusammenleben ... Die KATHOLISCHE KIRCHE sagt NEIN.
JESUS HINGEGEN habe den Menschen den Rücken gestärkt und ihnen neue Perspektiven aufgezeigt bla bla bla.

Ich kann das echt nicht mehr hören. Diese Zeitgeisthechelei, dieses billige Anbiedern, dieses Herabschrauben aller Ansprüche, diese Verabsolutierung menschlichen Wollens und Befindens auf Kosten göttlicher Weisungen und des Naturrechts. Diese hinterhältige Strategie, unter Vortäuschung falscher Tatsachen Jesus gegen die Kirche auszuspielen. Sicher, auch mein Leben wäre in vielen Fragen wahlweise einfacher, angenehmer, strunzgeiler, spaßiger oder abgefahrener, wenn ich tun und lassen könnte, was mir gefällt, immer mit der Versicherung im Rücken, das auch bei der beschissensten Aktion irgendein Jesus mir obendrein den Rücken stärkt und neue Perspektiven eröffnet, koste es, was und wen es wolle.

Was sucht dieser Theologe eigentlich in der katholischen Kirche? Soll er sich doch einen anderen Verein suchen, für die besagten Punkte gibt es unter christlichen Denominationen zwischenzeitlich eine große Auswahl.

Apropos Perspektiven ... wenn es eine zentrale Perspektive gibt, die der Herr Jesus vor allem aufgezeigt und bis in die letzte Faser beglaubigt hat, dann ist es das Pascha-Mysterium: Leiden, Kreuz, Ostern. Von happy hour ist da erstmal nicht die Rede, wohl aber von einem Weg in vitam venturi saeculi. Und dazu stärke Jesus den Rücken.

5 Kommentare:

Benedetta hat gesagt…

Klasse!
Der gute Mann hat da wohl nicht richtig hingehört...TOR DES HERZENS neigen??
"Höre, mein Sohn,“ so beginnt die Regel des heiligen Benedikt, „auf die Weisung des Meisters, neige das Ohr deines Herzens, nimm den Zuspruch des gütigen Vaters willig an und erfülle ihn durch die Tat!“ …"

Johannes hat gesagt…

Yes, Benedetta! Und sanct Benedikt hat seine Lebensregel geschrieben, nach dem er sich aus der Welt zurück gezogen hatte und nicht, nachdem er sich assimilierte. Dass er zum Patron Europas erklärt wurde, war eine prophetische Tat!

Pro Spe Salutis hat gesagt…

Das Benedikt-Zitat kam im WzS nicht vor, ebensowenig wie das Pauluswort. Beides gehört zu meiner Reflektion, doch leider habe ich den Regeltext fehlerhaft aus dem Gedächtnis zitiert. Irgendwie kam mir "Tor des Herzens" gleich komisch vor. Danke für den Hinweis, der Theologe ist in diesem Punkt unschuldig.

Robert hat gesagt…

Aber eine offenbar ungewollt gut gelungene Katechese konnte er trotz allem halten, der nette "Theologe": er scheint immerhin die klassische katholische Position recht deutlich und unmissverständlich dargelegt zu haben! (Ich kann da nicht wirklich mitreden, da ich - wenn überhaupt - generell keine religiösen Sendungen schaue)

Yon hat gesagt…

Wie mich das anwidert. Und das soll die Menschen näher zur BIBEL bringen? Die ist in den Punkten auch recht deutlich.