Seufz! Als Organist hat man es nicht immer leicht, in der außerordentlichen Form des römischen Ritus gleich zweimal nicht. Choralmessen, Kirchenlieder, Akklamationen, womöglich auch das Proprium - alles will begleitet werden, zeitweilig ohne Verschnaufpause hintereinander weg. Natürlich gehört ein "tridentisches" Hochamt zu jenen Herausforderungen, die Spaß machen, zumal man sich irgendwann eine ordentliche Portion Souveränität aneignet und einem so schnell nichts aus der Bahn wirft. Zudem öffnet die "alte" Messe Zeiträume, in denen sich die Orgel, handle es sich um Literaturspiel oder Improvisation, entfalten kann. Im Vergleich zur "Gabenbereitung" ordentlichen Zuschnitts dauert ein "altes" Offertorium mit Weihrauch und allem Drum und Dran eine kleine Ewigkeit. Man muß nicht fürchten, daß der Priester nach drei Akkorden schon für das Gabengebet in den Startlöchern steht. Also alles heile Welt?
Leider nein, denn in traditionsfreudigen Kreisen wird Orgelmusik im Gottesdienst oft als nette Deko betrachtet. Und nur als nette Deko. Entsprechend geht man damit auch um.
"Können Sie am Schluß nur kurz spielen?" ... wurde ich heute in St. Anton gebeten. Es müsse noch etwas angesagt werden - wohlgemerkt, nicht vom Priester, sondern von einem Laien. Natürlich kann ich kurz spielen. Aber irgendwie erinnerte mich das an ähnliche Erlebnisse in anderen altrituellen Gottesdiensten, wo nach der Messe auch dann und wann plötzlich jemand vorne erschien und noch irgendwas ansagen mußte. Und wehe, der Organist hat das nicht gemerkt ... zunehmend empörte Blicke in Richtung Orgel ... psst ... psssst ... psssssssst. Ähnliche Widerfahrungen ließen sich auch aus der einen oder anderen Messe benennen, wenn dieses oder jenes Orgelstück halt mal noch fünf Takte Zeit brauchte. Meistens sind es dann die besonders Frommen, die meinen, für den rechten Ablauf des Gottesdienstes Sorge tragen zu müssen. Mit Priestern hatte ich wegen fünf (oder auch zehn) Takten bisher nämlich noch nie ein Problem.
Zur Klarstellung: Selbstverständlich ist die Musik Dienerin in der Liturgie. Selbstverständlich wähle ich Orgelliteratur so aus, daß der zeitliche Rahmen beim Offertorium, beim Kommuniongang möglichst nicht gesprengt wird. Selbstverständlich gebe ich mir Mühe, bei Improvisationen innerhalb der Litugie auf den Punkt fertig zu werden. Selbstverständlich weiß ich, daß das Wesentliche in der heiligen Messe am Altar vollzogen wird und nicht auf der Orgel. Und selbstverständlich weiß ich, daß alles im Gottesdienst, und damit auch die Musik, von diesem Wesentlichen sein Maß empfängt. Und durch dieses Wesentliche geheiligt wird. Und dieser letzte Gedanke ist mir so wichtig, daß ich ihn gleich nochmals wiederholen möchte:
Die Musik wird durch die Vergegenwärtigung des Kreuzesopfers geheiligt. Vom Altar her empfängt sie - ganz konkret - innerhalb der heiligen Messe eine ganz eigene Würde. Da muß man garnicht lange irgendeinen Kunstbegriff ins Feld führen, um zu erklären, daß es gegen die Kunst verstoße, bei einer Bachschen Choralbearbeitung einfach die letzten fünf Takte wegzuschnippeln. Die Musik ist in diesen Augenblicken geheiligt durch das, was sich in diesen Augenblicken an Wesentlichem vollzieht. Weil sie geheiligt ist, verdient sie auch Respekt, solange sie das ihr zugemessene Maß ihrerseits grundsätzlich nicht über den Haufen wirft. Daß die Güte von Inhalt und Form der Feier der heiligen Liturgie entsprechen muß, versteht sich dabei von selbst.
Weil die Musik - ob Gregorianik, ob Kirchenlied oder "nur" Orgelmusik - vom Altar her ganz konkret Heiligung erfährt, ist sie mehr als nur Dekoration, die man nach Belieben und aus mehr oder weniger wichtigen Gründen andrehen oder abwürgen kann. Das gilt auch für das Postludium.
1 Kommentar:
Sehr schön gesagt, und genau zur richtigen Zeit. Ich überlege nämlich zur Zeit, ob ich mir hier nicht hin und wieder mal den Kirchtürschlüssel für die Orgel ausleihe ;-)
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