Gott tut ja heute allerhand, vor allem in den Schlußformeln der Tagesgebete durchschnittsdeutscher Eucharistiefeiern: Jesus ist der, der "lebt und Leben schenkt", "lebt und liebt", "lebt und waltet" oder - schlimmstenfalls - "lebt und wirkt" (also das, was ich mir erhoffe, wenn ich eine Kopfschmerztablette einwerfe). Alles mehr oder minder nette Formulierungen, zweifelsohne auch bedenkenswert, aber qui vivit et regnat heißt nunmal "der lebt und herrscht". "Herrschen" aber ist out: das kann man dem mündigen Kirchenvolk nicht zumuten, gleich garnicht den Frauen, überhaupt nicht einigen von "heiliger Geistkraft" heimgesuchten TheologInnen, die auch für die Trinität eine Quotenregel brauchen (mehr Geschlechtergerechtigkeit wäre freilich zu erzielen, wenn man den Vater, den Sohn und, meinetwegen, die "heilige Geistkraft" mittels gender mainstreaming ins Himmelreich politischer Korrektheit verfrachten würde). Aber zurück zum Thema ...
Dem obigen Relief lief ich vor einiger Zeit in einer Seitenkapelle in der Basler Kirche St. Joseph über den Weg: Christus als Herrscher, Richter und König. Christus als machtvoller Erlöser. Christus als Befreier der Seelen der Verstorbenen. Das Relief veranschaulicht, was früher in jeder Seelenmesse zum Offertorium gesungen oder zumindest gebetet wurde, ehe der Text faktisch auf der Müllhalde des Konzils landete:
Domine Jesu Christe, Rex gloriae ... "Herr Jesus Christus, König der Herrlichkeit, befreie die Seelen aller im Glauben Verstorbenen von den Strafen der Unterwelt".
Eindrückliche Dräuung wird hernach beschworen: Die tiefe See, der Rachen des Löwen. Der Tartarus möge die Seelen nicht "absorbieren", sie mögen nicht in die Dämmerung stürzen. Doch wo Gefahr droht, wächst das Rettende auch ...
Sed signifer sanctus Michael repraesentat eas in lucem sanctam ... "Vielmehr führe sie Sankt Michael, der Bannerträger, in das heilige Licht, das Du Abraham und seinem Samen verheißen hast" ... In der Requiem-Vertonung des spanischen Renaissance-Komponisten Tomás Luis de Victoria kratzt der Chor bei der Stelle in lucem sanctam übrigens eine harmonisch interessante Kurve, die mich immer wie ein besonderer Einbruch der Transzendenz ebenso in das musikalische Geschehen wie in das Erlösungsdrama anmutet.
Erlösungsdrama? Richtig! Aber in diesem Drama steht uns zum Glück ein "Herrscher" zur Seite, und nicht nur ein lieb-waltender Kuscheljesus mit Kopfschmerzpillenattitüde ...
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