Donnerstag, 24. September 2009

Das Stundengebet sollte kein Bastelbogen sein

-


Zufriedenheit, nachdem man das Gebetbuch zugeklappt hat, ist sicher keine wesentliche Kategorie, wenn es um, nennen wir es mal: gelingendes Beten geht. Sicher, ein zerstreut zusammengemurmelter Rosenkranz, eine durchgeflogene Laudes, eine Danksagung, in deren Zentrum vor allem der Vorsatz steht, sich nächstens beim Bäcker keinen altbackenen Streusel mehr andrehen zu lassen, lassen uns, weil weder der Geist noch das Fleisch wirklich willig waren, bedröppelt zurück. Wenn hier von Zufriedenheit die Rede ist, dann meine ich aber nicht die erfreut zur Kenntnis genommene Abwesenheit menschlicher Fehlleistungen, sondern eine ganz eigene positive Stimmung, aus dem Gebet besonders leckeren Nektar gesogen zu haben.

Für mich stellt sich das zum Beispiel gerne ein, wenn ich mich am Breviarium Romanum vergreife. Um mit leichter Änderung ein Kirchenlied zu zitieren: "Mein ganzes Herz erhebet" sich, wenn ich mir vorstelle, daß ich mich mit meinem bescheidenen Beitrag in das große Gebet der Kirche einfügen kann, daß ich in diesen gewaltigen Strom aus Psalmen, Schriftworten, Hymnen, Orationen, Lesungen, Antiphonen etc., der sich seit Jahrhunderten über Himmel und Erde, die sichtbare und die unsichtbare Welt ergießt, sozusagen hineinspringen kann: Eine besondere stabilitas gewinnen diese Gedanken für mich durch die früher selbstverständliche Einsicht, daß sich die eine Kirche nicht nur im übertragenen Sinn, sondern wortwörtlich una voce betend artikuliert. Daß zum Beispiel rund um den Erdball mit geradezu eherner Intensität an der Schwelle der heraufdämmernden Nacht immer wieder der eine Hymnus angestimmt wird: Te lucis ante terminum, rerum creator poscimus, ut pro tua clementia sis praesul et custodia ... Tut sie aber leider nicht mehr. Zumindest nicht mehr so, daß ich (in oben beschriebenen Sinn) "zufrieden" bin, wenn ich die Liturgia horarum aus der Hand lege.

"Welch wundervolles Schauspiel bietet dem Himmel und der Erde die betende Kirche, wenn ohne Unterlaß Tag und Nacht die unter göttlicher Eingebung niedergeschriebenen Psalmen gesungen werden, wenn keine Stunde des Tages gezählt wird, die nicht durch ihre eigene Litugie geweiht wäre, wenn jedes Lebensalter seine Rolle hat beim Dank-, Lob-, Bitt- und Sühnegebet dieses gemeinsamen Flehens des mystischen Leibes Christi, der Kirche" (Pius XI.).

Wie schon öfter angedeutet, bete ich hin und wieder die Laudes mit einem Geistlichen und hantiere somit auch mit dem heute "ordentlichen" römischen Stundengebet. Um mich darüber hinaus mit diesem "Ritus" vertraut zu machen, greife ich auch privat gelegentlich zu diesem Buch. Aber es keckst mich schlicht und einfach schon an, wenn ich, wie vor einigen Tagen am Fest des hl. Januarius, mir aussuchen soll, ob ich lieber auf das Kommune unius martyris oder das Kommune pastorum zugreifen will. Wenn ich dann noch daran denke, daß sich jede Bischofskonferenz auf Grundlage des andauernden römischen Entweder-Oder nochmals ihr eigenes Stundengebet basteln kann (mit teils schauderhaften Ergebnissen), so tritt für mich an die Stelle der stabilitas eine höchst amorphe Gebetsmasse, bei der letztlich jeder macht, was er gerade gut und schön findet. Vielleicht bin ich da etwas zu statisch gepolt, vielleicht muß der mündige Christ in mir erst noch wachgeknutscht werden, vielleicht habe ich bisher auch schlicht nicht genug Glückskekse gefuttert:

Aber Liturgie stelle ich mir als etwas Verlässliches vor, als etwas, das sich - ganz handfest - als das eine ordnendes Wort über das vielstimmige Chaos dieser Welt erhebt und damit zugleich Einheit und Halt stiftet im ... und zum ... Lob Gottes.

9 Kommentare:

Tiberius hat gesagt…

Befasse mich seit kurzem mit dem alten Stundengebet und ich bin schwer beeindruckt.

Wenn ich auf das Graduale und das Antiphonale Romanum schaue, dann wundere ich mich nicht mehr, warum die Ausbildung zum Mönch mehrere Jahre dauert.

Theresia Benedicta hat gesagt…

In dem Fall möchte ich garnicht "wachgeknutscht" werden, da bleibe ich lieber ein Dornröschen ;-)

Stanislaus hat gesagt…

Tja, dieses "oderoderoderoder" ist schon nervig und animiert tatsächlich zum Basteln. Im ordo novus habe ich mir jedoch eine feste Ordnung angewöhnt, die ich auch durchhalte, um mich möglichst nicht da so "ein Stück weit durchzufühlen".

Braut des Lammes hat gesagt…

Feste Ordnung; so mache ich es auch. Ich gebe aber Vox und den Vorschreibern recht - es wäre schöner, wenn die Kirche entschiede, als wenn ich das jedesmal aufs Neue tun soll. Zumal mir gar nicht klar wird, warum man statt diesem und jenem auch etwas anderes tun kann.

Obwohl: dieses eine Canticum in der Sonntagsvesper (Halleluja - denn gekommen ist die Hochzeit - Halleluja - ... - Halleluja – … Luja sog i … da hätte ich manchmal wirklich gern etwas anderes, und sei es nur eine andere Form.

Pro Spe Salutis hat gesagt…

In deutsch gesungenen Sonntagsvespern ist dieses Ah-men-Hah-leh-luh-jah-Canticum besonders suizidfördernd. Und dann noch diese bescheuerte Textfassung: "Denn gekommen ist die Hochzeit des Lammes, und seine FRAU hat sich schön gemacht" ... haben die denn vorher schon bürgerlich geheiratet, das Lamm und seine FRAU?

Steht das eigentlich auch so im deutschen Stundenbuch?

Braut des Lammes hat gesagt…

(grinsel) Ich seh schon das Lamm (mit Fahne!) und seine Frau zum Standesamt ziehen.

Ich schau nach. Da heute ein kurzer Arbeitstag werden sollte, bin ich ohne den Backstein aus dem Haus.

Pro Spe Salutis hat gesagt…

Ich habe jetzt gerade mal das Canticum im lateinischen Original nachgeschlagen, da ist 'dem Lamm seine Frau' die uxor sua ... was tatsächlich in der Regel Ehefrau heißt. Insofern könnte man den deutschen Übersetzern keinen Vorwurf machen, allerdings redet man dezidiert von "seiner Frau" im Deutschen halt doch erst nach der Hochzeit (wenn aus dem geschätzten Spatzerl halt einfach "die / meine Frau" geworden ist?).

"Ehefrau / Gattin" wäre da vielleicht noch ein wenig deutungsoffener, klingt aber technisch-dämlich und noch viel gruselig prosaischer als manche andere Übersetzungsleistungen aus der Nachkonzilszeit (Gleichnis "von den zehn Mädchen").

Auf die Textintention bezogen gibt es nur ein Wort, das wirklich passt: Braut (sofern man nicht beten will: "Und seine Zukünftige hat sich schön gemacht / zurechtgebrezelt").

Braut des Lammes hat gesagt…

Hier noch die versprochene Fassung aus dem deutschen Stundenbuch: es ist seine Frau, und sie hat sich "bereitgemacht" (…war mir doch so – schön ist wahrscheinlich wiedermal zu sinnlich.

Ich schreckte übrigens auch etwas davor zurück, den Psalm 45 es verlangt der König nach deiner Schönheit für die CV zu wählen, obwohl klar ist, daß es nicht um leibliche Schönheit geht. (/flüster)

Agapius hat gesagt…

"una voce" war das früher auch nicht so ganz; die Hymnes im Breviarium Monasticum hatten einen anderen Wortlaut, das Breviarium cisterciense hatte zum Teil völlig eigene Antiphonen - sogar an den wichtigsten Hochfesten und gerade zum Triduum paschale ganz unterschiedliche Texte zum Breviarium Romanum.... aber was das heute "selbstgestrickte" in der Stundenliturgie angeht- gebe ich dir völlig recht und dass die Liturgia horarum auch in vielen Punkten nicht wirklich geglückt ist- da bin ich ganz bei dir.