Montag, 17. August 2009

Schwundstufen-Katholizismus als Norm?

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Die einen sitzen wie die Made im Speck und meckern, wenn die Mahlzeit nicht genug den Gaumen kitzelt, andere hingegen bekommen nicht einmal täglich etwas Ordentliches zwischen die Zähne. Ein wenig so habe ich den kritischen Kommentar von Maria Magdalena zu jenem Beitrag verstanden, in dem ich den Unwillen selbst konservativer Geistlicher (vom "Normalklerus" ganz zu schweigen) beklage, sich in der Liturgie öfter der lateinischen Sprache zu befleißigen: Jammert da einer "auf hohem Niveau"? Statt dankbar zu sein, daß sich ihm "der Luxus" einer täglich Möglichkeit zum Meßbesuch bietet - von dem andere nur (noch) träumen (können)?

Vorab: Ich kann Maria Magdalena sehr gut verstehen. Wahrscheinlich hätte ich von ihrer Situation aus auch ähnlich argumentiert. Dennoch halte ich ihren Einwurf nicht für wirklich greifend.

Eine grundsätzliche Erwägung: Die tägliche Möglichkeit zur Teilnahme an der heiligen Messe ist kein "Luxus", sondern eine Selbstverständlichkeit, welche die Kirche "flächendeckend" anzubieten hat - zum Lob Gottes, zum Segen der eigenen Truppe, zum Heil der Welt und zur Heiligung der einzelnen Gläubigen. Ein Mammutprojekt.

Die Feier der heiligen Geheimnisse gehört zu den wichtigsten und heiligsten Pflichten, die der Herr Seiner Kirche aufgetragen hat: "Tut dies zu meinem Gedächtnis". Natürlich kann man diesem Anspruch nicht allerorten Tag um Tag gerecht werden, etwa in Missionsgebieten oder in der Diaspora. Zwischenzeitlich ist es aber selbst in erzkatholischen Regionen nicht mehr die Regel, daß täglich jeder Katholik an einer heiligen Messe teilnehmen kann. Um es im Blick auf diesen Aspekt drastisch zu sagen: Die Kirche - in Deutschland jedenfalls - stellt die Grundversorgung der Gläubigen Zug um Zug massiv ein.

Als ich noch jünger war, gab es in Zollitsch City fast in jeder Pfarrkirche täglich ein, manchmal sogar zwei oder drei Messen. Ferner hatten die Umlandgemeinden jeweils noch ihre eigenen Pfarrer. Das ist gerade mal 20 Jahre her. Heute hingegen, im Zeitalter der "Seel-sorge-ein-hei-ten", will man, so scheint es jedenfalls, vorsichtshalber garnicht wissen, wie sich die Situation in den nächsten 20 Jahren fortschreiben wird. Auch die Bischöfe scheinen recht wenig ernsthaft darüber nachzudenken ... denn:

Ich sehe unsere Herren Bischöfe mehrheitlich bestenfalls sorgenvoll-mitfühlende Gesichter machen, derweil sie mit Bedauern beschwichtigen: Es könnte natürlich alles viel schöner und reicher sein, aber es herrsche eben, leider, leider: Priestermangel. Welch neue Einsicht! Da wäre ich selber nie drauf gekommen.

Früher fiel eben Manna aus dem (heiteren) Himmel runter, heute braut sich stattdessen die Priestermangelkatastrophe in den Wolken zusammen. Der Herr hat gegeben, der Herr nimmt auch mal was weg. Die Kirche kann nur die Hände in den Schoß legen und auf besser' Wetter warten.

Entziehen nicht unsere teils aufgeblähten Kirchenverwaltungen viel zu viele Geistliche dem unmittelbaren Dienst an Gott und den Seelen? Das hiesige Erzbistum hat einen Erzbischof und drei (!) Weihbischöfe im Angebot, dazu zehn Domkapitulare, die alle ihre Bäuerchen auf irgendeinem amtlich-wichtigen Kirchenklo machen. Und auch sonst turnen noch manch andere Priester in irgendwelchen Referaten, Akademien oder als special agents für geistlichen Pipifax rum. Kann es nicht sein, daß sich hier einige Koordinaten hanebüchen verschoben haben?

Wie viele Priester tragen heute eine - zumindest in meinen Augen - fragwürdige Vorstellung ihrer Berufung herum, wenn ihnen der "LFT", der "liturgiefreie Tag", so wichtig ist? Läßt sich denn die Feier der heiligen Messe und das Gebet der Kirche auf die gleiche Stufe stellen wie zum Beispiel der Knochenjob eines Angestellten bei der Städtischen Müllabfuhr, dem man den freien Tag ohne Müllwagen und Biotonne keineswegs mißgönnt?

Nun gut, drehte man an den genannten Stellschrauben, würde das die Problematik des Priestermangels nur kurzfristig und wahrscheinlich auch nur ein wenig lindern. Deswegen zählt, gerade auch mit Blick auf die Zukunft, vor allem die Frage:

Gibt es, von den Priesterseminarien abwärts bis in die letzten Winkel der Gemeinden, eine Berufungspastoral, die diesen Namen wirklich verdient? Obwohl eine solche Pastoral in einer Zeit, in der das gesellschaftliche Klima für das Wachsen und Reifen von Berufungen alles andere als günstig ist, hoch notwendig wäre? Nein.

Würden diese Probleme und Fragen ernsthaft - in Handeln und Beten von der Hierarchie ebenso wie natürlich auch von den Gläubigen - angegangen, dann könnte sich die Lage, deo adiuvante, langfristig wieder bessern. Dann müßte sich womöglich auch Maria Magdalena, um zum Ausgangspunkt dieses Beitrags zurückzukehren, nicht mit zwei Werktagsmessen pro Woche abfinden. Ändert sich nichts, wird man irgendwann froh sein müssen, wenn am Sonntag statt der üblichen Wort-Gottes-Feier ausnahmsweise eine Messe gefeiert wird.

Was aber nicht sein darf: Daß man den Schwundstufen-Katholizismus mit seinem reduzierten Angebot, unter dem Maria Magdalena leben muß (und wahrscheinlich auch leidet), zur Norm dessen macht, was an kirchlichem Leben und an kirchlicher Vielfalt machbar ist. Wo zum Beispiel (noch) die Chance besteht, gemäß dem Wunsch des Heiligen Vaters zugunsten von Messen in der Kirchensprache zu intervenieren, da wäre es fehl am Platz, nur mit Rücksicht auf jene, die weit weniger die Chance haben, an der reichen Liturgie der Kirche Anteil zu nehmen, den Mund zu halten. Letztlich arbeitet man damit schlimmstenfalls der Bequemlichkeit des Klerus in die Hände.

Jetzt hör' ich aber auf, sonst komm' ich mir noch vor wie Luther ...


3 Kommentare:

Sponsa Agni hat gesagt…

"Wie viele Priester tragen heute eine - zumindest in meinen Augen - fragwürdige Vorstellung ihrer Berufung herum, wenn ihnen der "LFT", der "liturgiefreie Tag", so wichtig ist? Läßt sich denn die Feier der heiligen Messe und das Gebet der Kirche auf die gleiche Stufe stellen wie zum Beispiel der Knochenjob eines Angestellten bei der Städtischen Müllabfuhr, dem man den freien Tag ohne Müllwagen und Biotonne keineswegs mißgönnt?"

Is schon ne Grundfrage der ganzen Geschichte - ich muss unbedingt mal einen Priester mit LIFT fragen, ob er an diesem besagten Tag dann auch kein Brevier betet - um richtig frei zu sein. Bei einigen Herren, die meine Beichte hörten, und auf den Punkt "Ich habe mit dem Brevier geschlampert (in dem Sinn, dass ich es runtergehetzt oder einfach unandächtig verrichtet habe, obwohl es eigentlich mein Auftrag mit der Kirche und für die Kirche ist - niemals lasse ich aus!)" antworten: "Ach, das darf man nicht so ernst sehen... " würde ich wetten, dass mans ich da generell auch vom Beten erholenm möchte.

Ich missgönne niemandem einen freien Tag! Wirklich nicht! Aber bitte, wir Laien können uns die Messe nicht selbst halten! Die Messe ist doch keine "Arbeit"?!

(Hab mich mal Ende Juli über die Möglichkeit der täglichen Messe ausgelassen - http://sponsaagni.blogspot.com/2009/07/tagliche-messe.html )

Pro Spe Salutis hat gesagt…

Danke, Sponsa Agni, für die Präzisierung. Sie trifft genau, was ich meine. Natürlich braucht auch ein Priester einen Tag zum Abschalten von der Gemeindearbeit, aber nicht zum Abschalten von Messe und Stundengebet.

Stanislaus hat gesagt…

Ich erinnere mich da an meinen Zivildienst. Der Pfarrer dort hatte mittwochs immer seinen freien Tag, an dem er auch häufig gar nicht da war. Kann ich auch verstehen, daß der mal raus mußte. In der Pfarrkirche war dann auch keine Messe, dafür aber morgens in der alten Kirche am Markt, also nur wenige hundert Meter weiter. Der Pfarrer war durchaus ein eucharistiefrommer Mann (hatte jeden Freitag nach der Abendmesse eine Stunde Anbetung, wozu viele Leute kamen). Aber er hat nicht jeden Tag zelebriert. Dennoch gab es in der Kirche bis auf mittwochs jeden Tag die Hl. Messe (auch samstags).

Wenn aber mittwochs ein Hochfest war (das war in meiner Dienstzeit am 25. März der Fall), dann hat er seinen freien Tag gekürzt und am Abend ein Hochamt mit allem Zipp und Zapp gefeiert. Das war dann auch gut besucht gewesen.

Was ich damit sagen will: Es ist in erster Linie eine Frage der inneren Einstellung und der Flexibilität. Nur weil an dem und dem Tag der freie Tag des Pfarrers ist, darf doch nicht das Patronatsfest ausfallen, oder? Am 29. Juni war beispielsweise in St. Peter in Köln-Ehrenfeld keine Messe, weil an besagtem Wochentag eben nie was ist. Sehr flexibel, nicht wahr?

Es sollte auf jeden Fall für jeden Gläubigen die Möglichkeit bestehen, in zumutbarer Entfernung - auch samstags - die Hl. Messe besuchen zu können. Das ging auch bei meiner Zeit in der thüringischen Diaspora.