Gestern hatte ich ein anregendes Gespräch mit einem Geistlichen. Unter anderem unterhielten wir uns über Sinn- oder Unsinn der stillen heiligen Messe in der außerordentlichen Form des römischen Ritus.
Gleich vorweg: Wir waren uns beide einig, daß das Wesentliche der heiligen Messe die Vergegenwärtigung des Kreuzesopfers in Raum und Zeit ist. Es ging also nicht um die progressive Leier, daß eine Messe nur Sinn ergebe, wenn zwei oder drei in Jesu Namen versammelt seien, Brot brächen, Mahl hielten und Gemeinschaft erführen … oder was auch immer sich der zeitgeistige Katholizismus unter dem Stichwort „Eucharistiefeier“ hier und da zusammenreimt.
Es ging um die berüchtigte participatio actuosa. Um die Frage, ob es hinnehmbar sei, daß der Priester für sich leise die Messe feiere, während das Kirchenvolk auf den hinteren Bänken bei allerhand frommen Übungen rumturnt. Tatsächlich kann man während einer stillen heiligen Messe viel anstellen: Dösen etwa oder Däumchen drehen sind dabei eher abwegige Phänomene, aber den Rosenkranz beten, Betrachtung halten oder einfach nur zumindest äußerlich teilnahmslos dem Geschehen am Altar folgen – dies alles kommt vor, ohne daß man den frommen Sinn dahinter schelten möchte.
Hier nun schlug mein Gesprächspartner Protest: Die Gläubigen sollten sich am Tun der Kirche beteiligen. So sei zum Beispiel die Missa recitata der stillen „Winkelmesse“ eindeutig vorzuziehen, da sie die Gläubigen zu besagter participatio fordere. Es gehe dabei aber nicht darum, daß die Messbesucher um jeden Preis beschäftigt würden, sondern darum, dem Tun der Kirche, die Priester und Laien um den Altar versammelt, einen sinnfälligen Ausdruck zu geben. Schließlich rede die Liturgie - Dominus vobiscum - das Volk, nicht nur den Ministranten an und fordere in den Akklamationen eine Antwort.
Ich finde diese Sicht zu begrenzt. Ich schätze die vielfältigen Formen, in die sich der außerordentliche römische Ritus gießen läßt: Vom Hochamt mit allem gregorianischen Drum und Dran über die Betsingmesse bis hin zur Missa recitata. Und ich schätze die stille heilige Messe - als gelegentliche Alternativen zu diesen Formen. Eine Alternative, die dem Betenden den größtmöglichen Freiraum verschafft, das Opfer des Herrn nach den Gesetzmäßigkeiten des eigenen geistlichen Rhythmus mit zu vollziehen. Daß andere dabei den Rosenkranz beten oder meinetwegen Däumchen drehen … so what?
Ohnehin übersteigt die Messe sozusagen die anwesende Gottesdienstgemeinde. Was geschieht, geht schließlich nicht allein den Zelebranten und die paar Hanseln in den Bänken und den Herrn Jesus etwas an. Die Vergegenwärtigung des einen Opfers des Herrn in unserem Raum und in unserer Zeit bildet einen Knotenpunkt, der die gesamte Schöpfung bindet: als participatio caeli et terrae, visibilium omnium et invisibilium, als Teilnahme des Himmels und der Erde, der sichtbaren und der unsichtbaren Welt. Und diese Teilnahme ist höchst intensiv: actuosa eben. Jede Messe ist, so gesehen, ein kosmisches Ereignis.
Wenn also der Priester sein Dominus vobiscum spricht, so gilt dieser Gruß nicht nur dem Ministranten oder den anwesenden Gläubigen. Dieser Gruß gilt Engeln und Menschen, Mächten und Gewalten, letztlich der gesamten Schöpfung, die in der Vergegenwärtigung des Kreuzesopfers neu zum Mysterium der Erlösung berufen wird. Und selbst wenn in der stillen heiligen Messe nur der Messdiener leise Et cum spiritu tuo antwortet, so antwortet mit ihm eben diese Schöpfung in ihrem Seufzen, bis die Freiheit der Kinder Gottes (vgl. Römer 8, 21/22) als Frucht des Werkes Christi offenbar wird.
Wir sollten uns das Große, das sich um das Geschehen auf unseren Altären herum ereignet, viel mehr bewußt machen.
3 Kommentare:
So ist es!
Das Grundproblem ist doch, daß viele Menschen heute Stille nicht mehr aushalten können. Überall wird pausenlos Musik herumgedudelt, die Sinne werden überreizt. Da läßt die Stille Messe einen völlig erschrocken sein.
Das Problem ist allerdings, daß es wirklich vollkommen "stille Messen" in diesem Sinne in der außerordentlichen Form (Meßbuch von 1962) gar nicht geben dürfte, denn Rubricae Generales 511 f. verlangen, daß alles, was nicht secreto gebetet wird (also insbesondere der Kanon), clara voce vorzutragen ist, d.h. nicht so leise, daß der Priester von den Umstehenden nicht gehört werden kann (ut a circumstantibus audiri non possit). Die mittellaute Stimme, die es wenn ich mich recht entsinne früher gab, ist also weggefallen.
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