Dienstag, 27. Juli 2010

Selbstreflexives: Bin ich Gott?



Warum löhne ich eigentlich Jahr um Jahr acht Euro für mein Pfarrblatt? Die Gottesdienstzeiten interessieren mich kaum, da ich ohnehin nur alle Schaltjahre in meiner Heimatgemeinde die Messe besuche. Selbst meine Meßstipendien gebe ich vorsichtshalber anderweitig ab. Der Informationswert in Sachen Frauenkreis, Seniorenfest und Kolping ist für mich ebenfalls beschränkt ... aber irgendwie will man eben doch wissen, was so abgeht. Und dann gibt es noch diese erbaulichen Texte auf der ersten oder zweiten Seite.

Die vorletzte Ausgabe wollte mir ein "Gebet" beibringen, ein irisches: "Nimm dir Zeit" ... aha. Wozu? Zum Arbeiten, Denken, Spielen, Lesen, Freundlichsein, Träumen, zum Lieben, zum Geliebtwerden, zum Umschauen und Lachen. Gott war in diesem Gebet abwesend. Offensichtlich brauche ich mir auch keine Zeit zum Beten nehmen. Ein seltsames Gebet.

Die neueste Ausgabe lag am Samstag im Briefkasten. Die Gemeindereferentin läßt mich wissen, daß Astrid Lindgren der Meinung war, sie müsse "ja auch noch Zeit haben, einfach dazusitzen und vor" sich "hin zu schauen". Also noch was, wofür ich mir Zeit nehmen sollte. Immerhin sind ja bald Ferien. Weiter im Text der Referentin: "Was ist gemeint mit einfach dasitzen und vor sich hinschauen? Dabei kann mir bewusst werden: ich atme, ich bin ...".

Aha. Spiro, ergo sum. Netter Gedanke. Nett auch, daß ganz am Ende überraschenderweise (?!?) Gott (!?!) vorkommt: "Atme in mir, Gott, dass ich aufatmen kann". Ich atme, also bin ich und Gott atmet in mir. Bin ich jetzt Gott? Super ... Jetzt geht mir ein Licht auf: Wenn ich Gott bin, dann reichen mir selbstreflexive Gebete (aus Irrland) natürlich völlig aus.


Irgendwie stelle ich mir die Neuevangelisierung Europas anders vor.

Montag, 26. Juli 2010

Eva Herman und die Love-Parade



Man muß Eva Herman nicht mögen, aber man muß die Dame auch nicht so runterbürsten wie Impavidi Progrediamur. Daß sich Herman beim schillernden Kopp-Verlag tummelt, mag man als suboptimal betrachten, ist aber angesichts der zumeist gleichgeschalteten Restmedien verständlich. Wen die pseudotoleranzselige, abtreibungsfrohe und laissez-faire-versoffene Gutmenschgemeinde aus ihren heiß geliebten Kinderkrippen schmeißt, der muß nach anderen publizistischen Futterkrippen eine Weile suchen. Die Geschichte von Hermans vermeintlichen Nazi-Sympathien wird gleichfalls nicht wahrer, wenn man sie einmal mehr nacherzählt - wozu sogenannte Qualitätsmedien unter dem Märlein einer "seriösen" Berichterstattung fähig sind, hat sich beim Aufbauschthema "Mißbrauch in der katkolischen Kirche" gerade erst wieder gezeigt. Bei Eva Herman war's kaum anders. Diese nun hat sich zum Schrecken auf der Love-Parade u.a. folgendermaßen geäußert:
Eventuell haben hier ja auch ganz andere Mächte mit eingegriffen, um dem schamlosen Treiben endlich ein Ende zu setzen.
Was tut Herman hier? Sie läßt einer Überlegung Raum. Nun denn, ich glaube nicht, daß hier ein strafender Gott aktiv ein Exempel statuieren wollte. Aber der superliebe Sülzgott, den die Gutmenschgemeinde gerade noch so in ihren Reihen duldet, hat auch nichts gegen dieses Unglück unternommen.

Gott hat es zugelassen. Dies sehe ich nicht als Strafe, jedoch als Menetekel. Als Menetekel, welches, im Vergleich zu vielen anderen "zugelassenen" Katastrophen, mit deren Sinn man ringt, in gewisser Hinsicht geradezu einzuleuchten scheint. Ebenso wie ich im Logo der Veranstaltung einen Gegenentwurf zur Herz-Jesu-Symbolik gesehen habe: Trotz der gewiß nicht beabsichtigten Kongruenz und Konkurrenz eine vielsagende Gegen-Ikonographie, dieses Herz im Kreis mit den Wummerstrahlen drumherum.

Einen meines Ermessens lesenswerten Kommentar zu Hermans Einlassungen (und zu solchen aus ganz anderer Ecke) habe ich übrigens hier gefunden:
(...) Es ist allerdings auch irgendwie bezeichnend, dass selbst der zuständige deutsche Pfarrer im zufällig am Abend des Unglücks gesendeten ARD-„Wort zum Sonntag“ kein einziges Wort der Mahnung an der Veranstaltung verliert. Ganz im Stile des mitravenden Bundespräsidenten outet auch er sich als ein kritikloser Freund der Loveparade: „Loveparade heißt wörtlich übersetzt: Liebesparade. Hunderttausende kommen zusammen, um miteinander Musik zu hören, zu feiern und zu tanzen.“ Amen. Wer solche Kirchen hat, braucht sich auch über Politik und Medien nicht zu wundern. (...)

Donnerstag, 22. Juli 2010

Meine Lieblingsnonne in der Oper: Suor Angelica



Da es auf dieser Seite sowieso gerade sehr musiktheatralisch zugeht ... möchte ich noch eine meiner Lieblingsopern in die Runde werfen: Suor Angelica von Giacomo Puccini - eine weitere sterbende Nonne auf der Bühne. Der 1918 an der MET uraufgeführte Einakter bildet das Mittelstück einer als Il trittico bekannten Zusammenstellung von drei Kurzopern.

Mit Suor Angelica haben selbst Puccini-Fans hin und wieder Probleme, bis hin zu Michael Klonovsky, der den Meister sonst mit Hauen und Stechen verteidigt. Selbst er äußert gewisse Vorbehalte gegenüber der Finalszene dieses Werkes - also genau jener vier, fünf  Minuten wegen, derentwegen ich Suor Angelica ganz besonders liebe (wenngleich mir die Partitur von der ersten bis zur letzten Note eine Kostbarkeit ist).

Worum geht's überhaupt? Eine junge Adelige wird ob eines unehelichen Sohnes von ihrer Verwandschaft in ein Kloster gewiesen. Als Schwester Angelica nimmt sie diese Bestimmung an und übt sich fortan in Frömmigkeit. Eines aber läßt sie nicht los - der Gedanke an das Kind, das ihr sofort nach der Geburt entrissen wurde. Ihre Mutterliebe kann sie nicht verleugnen, ihre Sehnsucht nicht unterdrücken. Von Kind und Familie hört sie nichts, bis eines Tages eine Tante das Kloster aufsucht. In herrischem Ton fodert sie von der Nonne das Einverständnis in einige testamentarische Regelungen. Ehe Schwester Angelica zustimmt, besteht sie darauf, zu erfahren, was aus ihrem Sohn geworden ist ... und erfährt, daß der Knabe bereits in jungen Jahren verstarb. Nun ist sie zwischen dem Schmerz, daß ihr Kind ohne Mutter sterben mußte, und der Hoffnung, daß es nun ein Engel im Himmel ist, hin und her gerissen.

Nach dem Abendgebet bleibt sie allein im Klosterhof zurück. In Sehnsucht nach ihrem Kind braut sie sich ein Gift aus den Kräutern des Klostergartens. Nachdem sie den tödlichen Trank verkostet hat, wird sie sich ihrer Situation bewußt. Sie hat sich selbst den Tod gegeben und wird in Verdammung sterben. In ihrer Not fleht sie die Mutter Gottes um Gnade an: Madonna, salva mi! ... "durch meine Liebe zu meinem Sohn".


Die originalen szenischen Anweisungen sehen ein veritables Wunder auf der Bühne vor - Maria erscheint mit Angelicas Kind an der Hand. Spätestens jetzt ahnt man, warum die Oper mal mehr, mal minder unter Kitschverdacht gestellt wird. Bei der obigen Produktion aus der Met mit Barbara Frittoli in der Titelrolle hat man, denke ich, eine elegante Lösung gefunden, ohne das Werk (was heute gerne gemacht wird) gegen den Strich zu bürsten.

Auch musikalisch ist die Fachwelt mit diesem Finale unzufrieden, zeigt sich befremdet über die in der kompositorischen Faktor sehr (aufgesetzt?) appellativen Anrufungen aus der Lauretanischen Litanei, die in den Hymnus O gloriosa virginum münden, der seinerseits den Gestus eines Marsches in sich trägt.

Auf mich wirkt das, wenn ich dieses eher der Gegenwart verhaftete und militärische Bild gebrauchen darf, wie eine Art göttlicher "Intervention": Da wird so manches, was in der Biographie aller Beteiligten schief gelaufen ist, radikal zurecht gerückt. Da sich die Menschen aus ihren Verstrickungen selbst nicht befreien können, wird die erflehte (!) Erlösung gewährt, radikal - sie bricht quasi in die Menschenwelt ein.

Es ist übrigens interessant, daß der Text an dieser Stelle auf den Hymnus O gloriosa virginum, der in den Marienoffizien des Breviarium hin und wieder auftaucht, zurückgreift. Das ist keineswegs die nächstliegende Wahl, auch wenn Puccini aus einer Kirchenmusikerfamilie stammte und um fast selbst Kirchenmusiker geworfen wäre. Ich denke aber, daß dieser Text mit Hintersinn gewählt wurde:
O herrliche Jungfrau,
hoch erhoben in die Sterne,
der dich erschuf, den nährtest Du
als Kind an deiner Mutterbrust.
Die unterschwellige Botschaft: Du, Maria, weißt um die Freuden einer Mutter. Vergiß nicht die arme Schwester Angelika, die diese Freuden nicht verkosten durfte ...

Montag, 19. Juli 2010

Elsa ... arrgh! Nacht(b)revier serviert Aufbackschrippen

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Also ... Franckens Panis angelicus muß man echt nicht von diesem Tenorino verhunzen lassen, der, wie (zugebenermaßen: sehr, sehr) böse Zungen behaupten, besser sieht als singt. Cher Elsa, dieser Eintrag ist des Nacht(b)reviers unwürdig, selbst wenn er als "Karaoke Version" annuntiert wird. Schließlich geht's hier um das "Brot der Engel" und nicht um Aufbackschrippen. So kann Panis angelicus klingen:


Bei dieser Sängerin handelt es sich um die Sopranistin Magda Olivero, die hier im zarten Alter von 92 Jahren bei einem Gottesdienst anlässlich des 25. Todestages von Maria Callas singt. Aller Tonqualität, dem elendig lahmen Tempo und einigen kleinen Distonationen zum Trotz: Was für eine Stimme, deren Qualität gerade in den leise schwebenden Passagen (durch ein wunderbares Fil di voce) damals noch immer erstaunlich war! Das ist Kunst. Der Tenorino ist nicht mal Kunsthandwerk, sondern bestenfalls Tontechnik plus Medienhype.

PS: Dieser Eintrag ist ein Beitrag gegen kürzlich andernorts inkriminierte Lobhudelei in der Blogozöse. Denn Konvertitin Elsa kann der federführende Bekloppte hier wirklich nicht loben ...

Samstag, 17. Juli 2010

Der Gesang der Karmelitinnen

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Braut des Lammes hat heute bereits auf die sel. Karmelitinnen von Compiègne hingewiesen, derer die Kirche heute gedenkt. Auch die Oper Les Dialogues des Carmelites von Francis Poulenc wurde dabei kurz erwähnt. 1957 in Mailand uraufgeführt, gehört sie für mich zu den wenigen musiktheatralischen Werken seit dem Tod von Richard Strauss, die man sich musikalisch gesehen nicht nur aus Interessens-, sondern vor allem auch aus Gefallensgründen anhört. Besonders bewegend ist die Finalszene. Poulenc schrieb den Schwestern für deren Opfergang ein Salve Regina, dem die Momente der einzelnen Todesstreiche erschütternd einkomponiert sind. Am Ende betritt die zuvor aus Angst entflohene Blanche die Bühne und vollendet sozusagen den Gesang ihrer Mitschwestern. Hört und seht selbst:

Unsere lieben Bischöfe - verpetzt ?!?

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Kein gutes Haar ließ vor einiger Zeit ein Nuntius an so manchem deutschen Bischof. So gebe es in Deutschland Bischöfe, die - ich fasse das jetzt mal mit meinen Worten zusammen - ein durchaus innigeres Verhältnis zur römischen Zentrale hegen könnten. Oder die in der Priesterausbildung die Zügel zu locker ließen. Vor allem die akademische Ausbildung an staatlich-theologischen Fakultäten war dem Nuntius ein Dorn im Auge; dort nämlich säßen zu viele progressive Theologen auf den Lehrstühlen, bis hin zu Irrlehrern. Auch hier sei mancher deutsche Bischof viel zu langmütig. Das grundlegende Problem lag für den Nuntius wahrscheinlich darin, daß es sich bei vielen dieser Oberhirten quasi um Staatsbischöfe handelte, denen ein gutes Einvernehmen mit der Regierung wahrscheinlich im Zweifelsfall wichtiger war als die konsequente Umsetzung römischer Weisungen. Mit seiner Kritik sparte der Nuntius nicht einmal am damaligen Vorsitzenden der Bischofskonferenz, einem angesehenen Kardinal ...

Wer war wohl dieser Nuntius? 

Donnerstag, 15. Juli 2010

Ein sexfreier Monat

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"Afrika: Benedikt XVI. fordert sexfreien Monat gegen Aids" ... ich möchte nicht wissen, welche Gestalten angesichts einer solchen (gedachten) Schlagzeile in den Jammertälern zwischen Wisiki und Weltethos sofort aus ihren Löchern und auf die Barrikaden kröchen. Gut also, daß es nur unverdächtige Wissenschaftler sind, die in der Tat dergleichen fordern:
Führende Aids-Forscher haben im Kampf gegen die Krankheit an afrikanische Führer appelliert, eine Kampagne für einen Monat sexueller Abstinenz zu propagieren. Das berichtet der britische Guardian.
Die Wissenschaftler sind sicher, dass eine sexfreie Zeit die Zahl der Neuinfektionen grundlegend verringern könnte. Sie haben bei Studien herausgefunden, dass ein neu infizierter Aids-Kranker die Krankheit meist innerhalb eines Monats nach der Ansteckung überträgt. Eine Abstinenz könnte die Quote der Neuinfektionen um 45 Prozent senken (Die Welt, 6. Juni 2010).
Wenngleich vorübergehende Enthaltsamkeit die Not nur zum Teil beheben helfen dürfte ...

Freitag, 2. Juli 2010

Rund ums Konzil 3: Fiktives, aufgelesen.

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"In der empfindlichsten Frage, der Verwendung der Muttersprache in der Meßfeier, war ohne einen Kompromiß nicht durchzukommen. So enthält der diesbezügliche Art. 36 eine dreifache Einschränkung: Der Gebrauch der lateinischen Sprache soll grundsätzlich erhalten bleiben (§ 1) - in welchem Ausmaß, wird nicht festgelegt. Mit anderen Worten:

Den Gegnern wird die Fiktion zugestanden, daß Latein nach wie vor die offizielle liturgische Sprache der Westkirche ist"

(Otto Hermann Pesch: Das Zweite Vatikanische Konzil. Würzburg 2001, p. 120).

Übers Gebirg Maria geht ...

 

Übers Gebirg Maria geht
zu ihrer Bas Elisabeth.
Sie grüßt die Freundin, die vom Geist
freudig bewegt Maria preist
und sie des Herren Mutter nennt;
Maria ward fröhlich und sang:

Mein Seel den Herrn erhebet,
mein Geist sich Gottes freuet;
 er ist mein Heiland, fürchtet ihn,
er will allzeit barmherzig sein.

Was bleiben immer wir daheim?
Laßt uns auch aufs Gebirge gehn,
da eins dem andern spreche zu,
des Geistes Gruß das Herz auftu,
der Mund im wahren Glauben sind:

Mein Seel den Herrn erhebet,
mein Geist sich Gottes freuet;
  er ist mein Heiland, fürchtet ihn,
er will allzeit barmherzig sein.

Johann Eccard (1553 - 1611)