Sonntag, 6. März 2011

Mit der Säge zum Altar

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Nehmen wir einmal an, ich würde ein antikes Möbel erben, gut erhalten, über viele Generationen gepflegt, irgendwas aus der Zeit des ausgehenden 18. Jahrhunderts, geschwungen, geschnörkelt, schön anzusehen, wenngleich etwas unpraktisch und nicht recht ergonomisch. Und nehmen wir an, ich würde das Erbstück mit einer Säge (und deutlichen Eingriffen in die Struktur) den Erfordernissen der Gegenwart anpassen. Und zuletzt das Möbel bei den Antiquitätenspezis von Kunst und Krempel vorführen, auf daß diese aus allen Wolken fielen, wie ich mich so an einem Original vergreifen könne, von der Wertminderung ganz zu schweigen ...

Pfarrkirche St. Martin, Hochdorf im Breisgau
(für größere Ansicht bitte auf das Bild klicken)
Leider dürfte es nicht nur in Robbies Reich zeitweilig Mode gewesen sein, barocke Hochaltäre gemäß Konzilsgeist zu massakrieren, indem man ihnen einfach die mensa abgesägt und diese zum Volksaltar umdeklariert hat. Das mag man immer noch besser finden, als den Altar vollständig aus der Kirche zu räumen, aber nach heutigem Empfinden ist das Auseinandersägen von Altären des Barock und Rokoko (im Vergleich zu manchen Arbeiten des 19. Jahrhunderts allemal Einzelstücke) eine Kulturbarbarei allererster Sahne. Und dieses Empfinden hätte man auch schon hegen können, als man zur Säge griff, wäre nicht der Blick durch die Konzilsgeisteuphorie einmal mehr reichhaltigst getrübt gewesen. 
Der barocke Hochaltar ist übrigens nicht nur Feier-, Kultort und Opferstätte, sondern, kulturhistorisch betrachtet, auch Bühne (und es wäre, aber das nur nebenbei, gewiß einmal interessant, die tridentinischen Rubriken zu Körperhaltungen und Bewegungsabläufen des Zelebranten mit den mimisch-gestischen codes der barocken Opera Seria in vergleichenden Bezug zu setzen). Bei den zersägten Ensembles wurde das gesamte Altar-Konzept mit seinen kultischen und theatralischen Implikationen über den Haufen geworfen: Die nun vorgezogene mensa hebt den Hochaltar als dramaturgischen Ort und - gerade auch durch die (Zer-)Störung der Dramaturgie - als Gesamtkunstwerk auf. Übrig bleibt eine billige und orientierungsverwirrte Tresenlösung samt Kulisse: die Staffage mit eingebautem Allerheiligstem, von dem sich der Zelebrant abkehrt ...

2 Kommentare:

Stanislaus hat gesagt…

Hm lecker, Blumen rechts, Kerzen links. Ein richtiger "Pfarraltar"!

Wolfram hat gesagt…

Warum der Zelebrant hinter dem Altar stehen soll, leuchtet mir ohnehin nicht ein. Weder im nachkonziliaren römischen Ritus noch in den evangelischen Kirchen, die dem nachgetan haben.