Donnerstag, 18. Februar 2010

Ein Gebets-Stöckchen ...

 

Auf dem Weg vom Bahnhof zum Aschermittwochsamt legte ich gestern sozusagen statio in der Basler Clarakirche ein. St. Clara ist das erste Gotteshaus, in dem nach der Basler Reformation wieder die Heilige Messe gefeiert werden durfte - zu diesem Zweck wies der Rat der Stadt irgendwann zu Beginn des 19. Jahrhunders der wachsenden Schar der Katholiken die Kirche an. Das neugotische Interieur, welches eine Weile danach Einzug hielt, wurde bereits in den 1930er-Jahren "entrümpelt". Die Ausstattung der damaligen Zeit fiel wiederum der konziliaren Freude am luftleeren Raum zum Opfer. Was in der Sichtachse des Kirchenraumes - unter dem mittleren Chorfenster - von Ferne wie das tabernaculum wirkt, ist in Wirklichkeit ein öder Glassturz mit einem mittelalterlichen Goldschmiedekreuz darin. Ansonsten birgt der Chor nur ein Podest für den Kirchenchor, und St. Clara, kürzlich übrigens renoviert, unterscheidet sich auf den ersten Blick kaum von den vielen anderen mittelalterlichen Kirchen der Stadt, welche nach wie vor unter reformierter Fuchtel stehen. Wie könnte man sowas nennen? Ökumene der Anpassung?

Sei's drum. Eigentlich möchte ich ja ein Gebets-Stöckchen werfen. Denn während meiner statio betrat eine Frau die Kirche, marschierte schnurstracks in den Chorraum, kniete sich nieder und schrie eine Mischung aus Gebet und Blasphemie aus sich heraus, samt einiger antisemitischen Phrasen, die zu wiederholen ich mir hier erspare. Wohlgemerkt: Die Frau erweckte nicht den Eindruck einer durchgeknallten Drogenbraut, war manierlich gekleidet, mittleren Alters und schien eher unauffällig. Plötzlich war der Spuk zu Ende, vorerst jedenfalls.

Wie so einen Fall einordnen? In der Regel würde man irgendeinen psychischen Knacks vermuten. Andererseits könnte auch ein Dämon dahinterstecken, von dem die Frau be- oder zumindest umsessen ist. Mir steht kein Urteil zu.

Nach einer Weile ging der Zirkus wieder los, diesmal vor dem Marienbild ... Beschimpfungen, Gebete, alles wild durcheinander. Schließlich ging ich hin und versuchte, auf die Frau behutsam einzuwirken. Sie sah mich mit einer Miene an, als ob sie sich für ihr Verhalten halb verteidigen, halb entschuldigen wollte, und sagte, da seien "Juden in ihrer Kirche", und das sei doch eine Unverschämtheit. Sie sprach von "ihrer Kirche", zu der sie offenbar irgendeinen emotionalen Bezug hatte. Die Frau tat mir leid. Zwischenzeitlich trat irgendein Kirchenmensch dazu und flüsterte ihr etwas ins Ohr; darauf verlies die Frau St. Clara.

Was immer in diesem verstörten Wesen vorgegangen sein mag und wahrscheinlich weiter vorgeht - sie bedarf sicher des Gebetes. Vielleicht mag jemand mit mir dieser Frau in den Stunden vor Gott gedenken ...

Bild: Kirche St. Clara, Basel

Keine Kommentare: