Montag, 6. Dezember 2010

In Sachen Fortes fide



Er weiß: Seine engsten Freunde haben die Situation noch immer nicht erfasst und schlafen. Er weiß: Einer seiner Jünger hat ihn schon verraten. Er weiß: Ein anderer wird Ihn bald verleugnen. Er weiß: Sie werden davonlaufen. Er weiß: Ihnen hat er sein Erbe anvertraut.
Die Bitterkeit dieser Nacht rührt vielleicht nicht nur daher, weil Er auch weiß, was in den nächsten Stunden auf Ihn zukommt. Sie hat vielleicht auch ihren Grund im fortgesetzten Verrat an Seiner Botschaft - Verrat in Gedanken, in Worten, in Werken, im Unterlassen, fortgesetzt von Gethsemane bis heute, bis jetzt und über das Heute hinaus.


Ich habe gerne auf seinem Blog vorbeigeschaut, ich habe mich gefreut, wenn er bei mir Kommentare hinterlassen hat. Und gewiß war er - ein Priester zumal - auch bei anderen Mitgliedern der Blogozese angesehen und beliebt. Nun ist von kinderpornographischem Material die Rede, das auf seinem Rechner sichergestellt worden sei. Er habe entsprechende Vorwürfe seinem Bischof gegenüber bereits eingeräumt. Wenn das stimmt, so ist das ein harter Schlag. Auch wenn es sich "nur" um "Material" und nicht um realen Mißbrauch handelt. Auch wenn es sich womöglich - selbst das Grauen solchen Materials kennt Abstufungen - um Dateien wenig gewaltsamer Natur handeln sollte. Ein solcher Vorwurf lässt sich nicht verharmlosen, nicht schönreden, nicht relativieren. 


Trotzdem gilt, dies nur nebenbei, nach wie vor die Unschuldsvermutung: In dubio pro reo - im Zweifelsfall für den Angeklagten. Und ein über eine Tageszeitung kolportiertes "Geständnis" taugt ebenso wenig zur abschließenden Bewertung der Sachlage wie der Umstand, daß Ermittlungsbehörden den Rechner des Betroffenen auswerten.


Aber nehmen wir an, die Mutmaßungen werden durch Fakten untermauert. Was sollen wir tun? Uns angewidert abwenden? Den Gefallenen, sinnbildlich gesprochen, aus der Stadt jagen? Nichts mehr mit ihm zu tun haben wollen? Ein paar Gebete sprechen und den Kopf einziehen? Ist es nicht so, daß wir uns allzu gerne verkrümeln und das Weite suchen, örtlich, geistlich, intellektuell, wenn wir es mit Menschen zu tun haben, denen - ob zu Recht oder Unrecht - etwas Schändliches anhaftet? Etwas, was den Kreis gesellschaftlich korrekter Anständigkeit sprengt oder zu sprengen scheint? Aber: Dürfen wir den Angeklagten, den Verfemten, den Sünder jetzt einfach sich selbst überlassen und so, des Problems durch Ausblenden des Betroffenen entledigt, zum Alltag übergehen? Sind wir der Mahnung, den Sünder zu lieben, dann enthoben, wenn die Sünde nur hassenswert genug ist?


Aus meiner eigenen Erfahrung weiß ich, wenngleich und - Gott sei Dank - bedingt durch einen ganz anders gelagerten Ereignishorizont, wie es ist, wenn sich plötzlich fast alle von einem abwenden. Wenn man von einem Tag auf den anderen seine Arbeit verliert und mithin die gesamte Existenzgrundlage, schon schuldig gesprochen, noch ehe man sich recht verteidigen konnte. Wenn man geschnitten wird, gemieden, wenn Freundschaften gekündigt werden selbst von denen, die es eigentlich besser hätten wissen müssen. Wenn sich das ganze große Blabla von Versöhnung, Toleranz, Gerechtigkeit, Zivilcourage als Phrasengedresch denunziert. Vielleicht kommt irgendwann die Zeit, zu der ich dies hier oder auf einem neuen Blog erzählen werde. Hier will ich es nur andeuten. Warum?


Weil ich, ja, ich will es ruhig so "pathetisch" sagen, Mitleid empfinde mit unserem Exblogger, der sich womöglich jetzt in einer Situation befindet, in der man - selbst wenn die Anschuldigungen zutreffen - auch Worten des Zuspruchs bedarf. Nicht Worten der Verharmlosung, wo womöglich nichts verharmlost werden kann und darf, aber Worten, die besagen, daß sich niemand mit dem Scherbenhaufen eines Lebensentwurfs alleingelassen fühlen muß ... daß eine Hand ausgestreckt bleibt. Und wenn er will, kann er mir gerne schreiben, eine Kontaktmöglichkeit findet sich im Profil.


Wir haben wahrscheinlich alle Seiten, bei denen wir dankbar sind, daß sie anderen verborgen bleiben - den oder gar die Stachel im Fleisch, worüber bereits der heilige Paulus klagt (2 Kor 12, 7). Es muß nicht der große Skandal sein. Jede Sünde ist nicht nur eine Beleidigung Gottes, sondern ein Vergehen gegen die civitas Dei, die Bürgerschaft Gottes, und hat damit auch eine soziale Komponente. In der Tat, der "Teufel schleicht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlingen könne. Ihm widersteht standhaft im Glauben" (1 Petrus 5, 8 sq) ... ihm widerstehen ... solches steht hier als Aufforderung, nicht als Fakt. Wie oft scheitern wir selbst? 


Wie oft verraten wir den Herrn? Wie oft verleugnen wir Ihn? Wie oft laufen wir davon? Wie oft lassen wir Ihn allein? Und wie steht es nun mit den Worten, die wir gestern noch so warmherzig in der Lesung hörten ... "Daher nehme jeder von euch sich des anderen an, wie auch Christus sich euer angenommen hat" (Röm 15, 7)?

Jesus blieb allein zurück mit der Frau, die noch in der Mitte stand. Er richtete sich auf und sagte zu ihr: Frau, wo sind sie geblieben? Hat dich keiner verurteilt? Sie antwortete: Keiner, Herr. Da sagte Jesus zu ihr: Auch ich verurteile dich nicht. Geh und sündige von jetzt an nicht mehr! (Joh 8, 9-11).
      

11 Kommentare:

Elsa hat gesagt…

Danke.
Es gibt sehr gute Beiträge dazu derzeit. Deiner gehört zu den besten. Ich hoffte, Du würdest dazu schreiben. Alles Liebe!

tradi.nl hat gesagt…

Elsas Kommentar unterschreibe ich von Herzen.

Sponsa Agni hat gesagt…

Ebenso! *Unterschreib*

Bee hat gesagt…

Das ist sehr wahr, was Du schreibst.

Astrid hat gesagt…

Das spricht mir voll und ganz aus dem Herzen!!
Danke.

Yon hat gesagt…

Ja. Danke.

Anonym hat gesagt…

Natürlich war es ein Schock, als ich die Nchricht erhielt. Zumal es nicht nur "irgendeinen Blogger" getroffen hat, sondern jemanden, den ich schon sehr lange persönlich kenne. In jedem Fall auch von mir Dank für Deinen Text.
Ich selbst weiß auch noch nichts Neues und nur das, was alle anderen schon wissen. Aus der Kenntnis der Person her, bin ich aber fest überzeugt, dass hier eine dumme Panne oder was auch immer dahintersteht. Wir werden sehen, wie es weitergeht. ntensives Beten scheint mir jedenfalls das Mittel der Wahl zu sein.

Ich kann jtzt nur wiederholen, was ich schon bei verschiedenen Blogs gepostet habe:

Solange die Schuld nicht klar bewiesen ist, ist dieser Priester unschuldig. Es gilt hier auch ein Persönlichkeitsschutz. Von daher halte ich es auch für ein Unding, dass das Bistum die Namen seiner Pfarren öffentlich breittritt.

Ich kenne ihn persönlich schon über zwölf Jahre als guten Studenten, engagierten Kaplan und vorbildlichen Priester Gottes. Ich weiß auch nicht, welchen Grund er hatte, sich diesen Saukram herunterzuladen, bin aber sicher, dass da keine unlautere Absicht hinterstand. dafür kenne ich ihn zu gut.
Er ist und bleibt ein persönlicher Freund.

Und im Übrigen: Jeder Missbrauch ist einer zu viel. Aber hier reden wir nicht von Missbrauch, sondern vom Herunterladen von Schweinkram. Da darf man doch wohl einen Unterschied sehen. Und ferner gibt es unter Deutschlands Maurern, Rechtsanwälten, Schreinern, Ingenieuren und besonders Lehrern, Pädagogen und Erziehern deutlich mehr Pädophile als unter Geistlichen.

Ich bin sicher, dass es in dieser Sache eine redliche und nachvollziehbare Erklärung gibt. Und sollte er sich tatsächlich etwas zu Schulden kommen lassen, gilt immer noch, dass man die Sünde hassen soll, aber nicht den Sünder. In diesem Fall, an den ich mich weigere zu glauben, werden das Bischöfliche Offizialat und das staatliche Gericht die passenden Sanktionen finden. Und ich selbst werde auch in diesem unwahrscheinlichen Fall nicht mit dem Finger auf ihn zeigen, denn wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein!

CAECILIA - Notizen zur Kirchenmusik hat gesagt…

Ein sehr guter, ausgewogener Beitrag. Vielen Dank dafür!

Anonym hat gesagt…

Nein, ein falscher Kommentar und es ist falsch, die Hand auszustrecken!
Ich kenne den "guten, lieben Menschen" seit fast 10 Jahren, hatte mir auch nicht im Ansatz etwas träumen lassen. In dubio pro.. ist hier wohl falsch, wenn er selber die Vorwürfe einräumt, wie ein Bistumssprecher es sagt.
Wenn sich alle Welt von ihm abwendet, ist das nur der gerechte Lohn. Hier ist jegliches Mitleid an der falschen Stelle, das gebührt einzig den missbrauchten Kindern und deren Eltern. Wer Kinderpornographie selber erstellt oder sie nutzt, ist nichts anderes als ein widerliches Stück Dreck, ein Schwein, ein asoziales Etwas.
Durch eine "Panne" Kinderpornos aus dem Netz zu laden, ist wohl das Naivste,was ich jeh gehört habe.
Ich bin sehr gespannt, ob dieser Eintrag veröffentlicht wird. wohl eher nicht, da er nicht in die heimelige "was haben wir uns alle lieb und was sind wir verständnisvoll" Szene passt.

Pro Spe Salutis hat gesagt…

Keine Sorge, in der Regel zensiere ich nur in Extremfällen, und die kamen bislang nicht vor. Gegenstimmen sind durchaus willkommen.

Anonym hat gesagt…

http://www.noz.de/deutschland-und-welt/politik/niedersachsen/51980387/priester-aus-dem-emsland-verurteilt-5400-euro-strafe-wegen-kinderpornografie
Ich glaube es nicht. Steuerhinterzieher gehen in den Knast un der feine Herr H. ist nichgt mal vorbestraft. Stattdessen hält Mutter Kirche noch die Hand drüber und gibt ihm nen Job.
Ich könnte kotzen.
Insbesondere bei den hier auftretenden verteidigenden Kommentaren.
Der Mann gehört in den Knast!