Freitag, 20. Mai 2011

Auch hier: Frust in der Gegenwart


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Der Umstand, wie schnell der Heilige Stuhl mit ein paar Sätzen zur außerordentlichen Form des römischen Ritus den deutsch-katholischen Hühnerstall aufzuscheuchen versteht, ist an und für sich schon bemerkenswert. Zur Illustration: Elsa hat diesen aufregenden Artikel des Fachorgans für den gepflegten Konzilsgeist Christ in der Gegenwart erspäht und stellenweise amüsant glossiert. Zu einigen Passagen möchte auch ich mein Scherflein beitragen. Na dann, was lesen wir denn unter anderem ...?
Das neue Dokument mit dem Titel Universae Ecclesiae bezieht sich auf das (...) Schreiben Summorum Pontificum. Dieses sogenannte Motu proprio hatte den einstigen Ritus wieder allgemein erlaubt und als besondere Gestalt neu empfohlen - neben der ordentlichen Form, die aus der liturgischen Erneuerung des letzten Konzils hervorgegangen ist (vgl. CIG Nr. 29/2007, S. 235). Der jetzige Text betont nach heftigen Debatten unter Theologen wie im Kirchenvolk über den päpstlichen Erlass von 2007 nochmals, dass es in der Kirche keinen Widerspruch geben dürfe zwischen verschiedenen Ausgaben des römischen Messbuchs, also zwischen der früheren und der heutigen. 
"Debatten ... im Kirchenvolk" ... ist das jetzt wieder infam, nur dumm oder war erneut der Wunsch Vater des Gedankens? Es fällt einmal mehr auf, wie unverblümt sich die üblich verdächtigen Reformgeister mit Verweis auf das "Kirchenvolk" zu legitimieren trachten. Ein alter Hut, fürwahr, seit der deutsche Katholik vom ZdK vertreten wird, das als "Besser-Wisser" weiß, was der deutsche Katholik wollen soll und damit will. Mal unter uns: Hat seinerzeit irgendjemand irgendetwas von nennenswerten SP-Debatten im Kirchenvolk mitbekommen? Von "heftigen" Debatten? Also außerhalb eines Wisiki-Stuhlkreises oder bei ausgewählten Kirchenvolksbewegungsmeldern, bei denen die Alarmglocken schrillten? Am Rande - die Kirchenvolksbewegten sollten sich ihre "inklusive" Namens-Sprachregelung bitte endlich abgewöhnen. Ich gehöre auch zum Kirchenvolk, aber nicht zu diesem Stamm und verbitte mir jeden Vertretungsanspruch dieser Seite. Welcher echte Katholik will schon einer Gruppierung angehören, die immer noch dem Konzilsgeistzombie folgt?


Doch genug nun vom selbsternannten Kirchenvolk und dessen selbstdeklarierten Vertretern. Was lesen wir noch so in Christ in der Gegenwart? Der Autor enttarnt anhand der Ausführungsbestimmungen die römische Kommission Ecclesia Dei als verkappte Neue-Messe-Nichtmöger:

(...) Dann folgt ein Satz, der zeigt, wie gering die reguläre, erneuerte Liturgie von den Verfassern dieses Textes eingeschätzt wird: Durch die Möglichkeit zur tridentinischen Liturgie „soll den Gläubigen die Teilnahme erleichtert und eine würdigere (!; d. Red.) Feier der heiligen Messe gewährleistet werden". Das aber heißt faktisch nichts anderes, als dass die gemäß der Liturgiereform gefeierte Eucharistie von dem Gremium der Verfasser offenkundig als weniger würdig betrachtet wird.

Kurzschluß-Alarm! Oder einfach mal Lesen lernen, liebe Christen in der Gegenwart. Die Kommission sagt nicht, daß eine würdigere Version der heiligen Messe gewährleistet werden soll, sondern eine würdigere Feier. Und "das aber heißt faktisch" vor allem, daß man in Rom nur allzu gut um die liderliche Praxis weiß, wie die Heilige Messe in unseren Breiten - und nicht nur hier - allzu oft "gefeiert" wird - in einer Zeit, in der man sich beim Kirchgang keineswegs sicher sein kann, einer "gemäß der Liturgiereform gefeierte Eucharistie" beizuwohnen. Was man da mitunter erleben kann, könnte in Sachen "Feiern" ein Witz sein, wenn es nicht schon so nahe an der Blasphemie vorbeischrammen würde - von der die "Feier" auslegenden "Verkündigung" mancher Priester ganz zu schweigen.

Danach kommt das bereits von Elsa hoch goutierte Wort von der "Freizügigkeit im restaurativen Sinn", welche "die Rückkehr zu früheren Formen" gestatte. Komisch, sonst kann der Ruf nach mehr Freiheit in der Kirche nicht grenzenlos genug sein. 
Eindrücklich werden von der Vatikanbehörde die Diözesanbischöfe ermahnt, dass sie über das gottesdienstliche Leben wachen müssen und dass sie dabei „stets der Gesinnung (mens) des Papstes folgen" sollen, so wie sie Benedikt XVI. mit seinem Erlass zur tridentinischen Liturgie kundgetan hat. Der neue Text bestätigt somit in der Bestimmtheit und Eindringlichkeit seiner Formulierungen offen auch die liturgischen Vorlieben von Papst Benedikt XVI., wie es schon lange vermutet worden war.
Und da die Christen in der Gegenwart gerne mit Faktizitäten (siehe oben) argumentieren, heißt das - denn so lebt es Benedikt XVI. der Kirche vor - "faktisch nichts anderes", als daß die Liturgie in jedweder Form würdig gefeiert werden solle. Genau genommen zeigt Benedikt XVI., wie die ordentliche Form gefeiert werden soll. Oder haben die Christen in der Gegenwart den Heiligen Vater bei der Feier der außerordentlichen Form ertappt, wie er es noch als Kardinal getan hatte? Sicher nicht, und Benedikt XVI. wird sich hüten müssen, die alte Messe zu zelebrieren, um als Diener der Einheit diesen Spaltpilzen nicht jenen letzten ultimativen Vorwand zu liefern, das Konzil zu ihrem Zweck gegen die Kirche und den rechten Glauben auszuspielen.

Besonders interessant und theologiepolitisch brisant sind längere Abschnitte, die erklären, mit welcher hohen und verbindlichen Autorität die vatikanische Kommission auf diesem gottesdienstlichen Feld zu sprechen und zu entscheiden gedenkt. So wird klar festgehalten, dass im Fall von Konflikten, wenn also Bischöfe die tridentinischen Wünsche von Gläubigen abschlagen sollten, die römische Behörde die Sache an sich zieht und Beschlüsse fasst. 
Hier ist die Faktizität durchaus Vater des Gedankens. Angesichts des Verhaltens einer Vielzahl (nicht aller!) Bischöfe zu Fragen, Anliegen und Bitten rund um die "alte Messe" (und das betrifft übrigens auch die Sorge um eine würdige Feier des ordentlichen Ritus) liegt mir der Satz auf der Zunge, daß, wenn schon der Bock zum Gärtner gemacht wird, man zumindest einen Jäger in Rufweite haben sollte.
Auch an weiteren Stellen beansprucht die vom Papst mit den betreffenden Angelegenheiten beauftragte Vatikanbehörde immer wieder eine Eigen-Hirtengewalt über die Bischöfe (...) Erstaunlich ist, dass bisher von keinem Bischof der Welt irgendein Wort zu diesem eigenartigen „Entzug" der ureigenen bischöflich-apostolischen Vollmacht durch eine kuriale Verwaltungsbehörde zu hören war. Das ist theologisch gravierend und rüttelt am Fundament der katholischen Kirchenverfassung. 
Das Rütteln "am Fundament der katholischen Kirchenverfassung" klingt vordergründig wie eine Realsatire. Wer rüttelt denn dauernd am Fundament, auf dem die Kirche insgesamt, nicht nur in ihrer Verfasstheit, erbaut ist (zur "kirchenfundamentalen" Erinnerung: Tu es Petrus ...)? Die Kommission hingegen rüttelt nur leicht (wenn überhaupt) am "Fundament der katholischen Kirchenverfassung". Sie rüttelt aber heftig an jener These, die sich die Reformschnullis als "katholische Kirchenverfassung" zurecht legen - und das ist nichts anderes als eine konzilsgeistwabernde Interpretation der (nur im Ungefähren verbleibenden und nicht eindeutig geklärten) Lehre der Kollegialität der Bischöfe. Denn ist es nicht so, daß für die Christen in der Gegenwart zumindest solange der Bischof eine Art Mini-Papst seiner "Ortskirche" sein soll, wie man diesen Gedanken für die eigenen Ziele instrumentalisieren kann (solange der Bischof jedenfalls nicht Meissner oder Mixa heißt) ...?
Aus der deutschen Bischofskonferenz verlautete bisher nur: „Der Ständige Rat wird die Instruktion auf seiner nächsten Sitzung im Juni beraten. Nach einer ersten Durchsicht ist davon auszugehen, dass die von der deutschen Bischofskonferenz auf der Herbst-Vollversammlung 2007 verabschiedeten ‚Leitlinien für die deutschen Diözesen' nur geringfügig geändert werden müssen. In Deutschland wird an 128 Orten in unregelmäßigen Abständen die Liturgie im außerordentlichen Ritus gefeiert ...
Und nicht wenige deutsche Bischöfe tragen Sorge dafür, daß es möglichst nicht mehr als 128 Orte werden und die Feiern mal mehr, mal weniger regelmäßig oder auch mäßig unregelmäßig (wie in Zollitsch City, wo die Feier der außerordentlichen Form nur sonntäglich und nur im Abstand von zwei Wochen möglich ist) gestattet werden. Hoffentlich bleibt der Jäger in Rufweite ...
... Dabei handelt es sich nicht um Gemeinden. Im Vergleich dazu: In Deutschland gibt es über 11300 Pfarrgemeinden."
Und täglich werden es weniger ...
Der Erfurter Liturgiewissenschaftler Benedikt Kranemann bedauert, dass in dem jüngsten vatikanischen Dokument die „Kritik aus der Bischofskonferenz und von Theologen keinerlei Berücksichtigung gefunden" hat. Es bestehe die Gefahr, dass Spannungen zwischen reformorientierten und traditionsorientierten Gläubigen weiter verschärft würden.
Wozu Christ in der Gegenwart-Artikel und andere Reformationspostillen samt der Horde aufgeklärter Theologen natürlich nie und nimmer beitragen ...
Bereits bei der freizügigen Wiederzulassung der tridentinischen Liturgie vor vier Jahren kam heftiger Unmut aus der Mitte des Gottesvolkes - und das keineswegs nur aus dem deutschsprachigen Raum, sondern sehr stark aus Frankreich, wo die traditionalistischen Lefebvre-Leute und andere solcherart gesinnte Kreise den Bischöfen den Dienst an der Einheit besonders schwermachen. Massive Intrigen, Denunziationen, Beschwerden gegen Ortsbischöfe und Pfarrer an den zuständigen Bischöfen vorbei Richtung Rom gehören angeblich weiter zur Tagesordnung, wie man immer wieder aus Ortskirchen und von dortigen Leitungsverantwortlichen vernehmen kann.
Schon mal drüber nachgedacht, warum sich "traditionsorientierte" Gläubige lieber gleich an Rom wenden, anstatt sich vom Ortsbischof mal wieder vertrösten, vereimern oder verarschen zu lassen? Schon mal überlegt, daß die "Ortskirche" mit ihren "Ortsbischöfen" und den örtlichen "Leitungsverantwortlichen" sicher nicht die unbefangenste Instanz ist, wenn es um teilweise eklatante liturgische und pastorale Mißbräuche in den eigenen Mauern geht - in der "Ortkirche", unter den Augen des "Ortsbischofs" und der "Leitungsverantwortlichen"? Und ist es nicht herrlich, daß "traditionsorientierte" Gläubige offenbar einen so heißen Draht zum Vatikan haben, daß "massive Intrigen" gedeihen können? Die Christen in der Gegenwart glauben offenbar alles ... solange es nicht im Credo steht!?! Einen Abschnitt sollte man sich noch auf der Zunge zergehen lassen, ehe man davon Sodbrennen bekommt:
Die einseitig Traditionsorientierten finden im Vatikan anscheinend leichter offenes Gehör als die Bitten der großen Mehrheit der kirchlich treuen, religiös engagierten und reformerisch aufgeschlossenen Katholiken aus der Mitte des Gottesvolks. Das beweist auch die Stagnation auf dem Gebiet vieler seit Jahrzehnten diskutierter Reformthemen und Vorschläge. Daher wohl scheint sich auch das Interesse der Gläubigen an einer neuen innerkirchlichen Dialoginitiative, wie sie zum Beispiel für Deutschland angeregt worden ist, bisher sehr in Grenzen zu halten. Vielerorts sitzt die Resignation tief, was sich nicht immer in Kirchenaustritten, wohl aber sehr häufig in massiv zunehmender Distanz zum Glaubensleben äußert. Neun von zehn Getauften sind religiös kaum noch oder gar nicht mehr in den Pfarrgemeinden präsent - eine Kirchenspaltung neuen Typs, auf die es bisher keine überzeugende Antwort gibt.
Seit über vierzig Jahren richten diese Typen die katholische Kirche in Deutschland zugrunde. Und schreiben dann noch so einen Scheiß. Nach vierzig Jahren mit Reformgedöns, Konzilsgeist, der Würzburger Synode und der Königsteiner Erklärung, nach Memoranden und Papieren, nach vierzig Jahren intensivsten Kirche-Umkrempelns schreiben diese Pappnasen, daß neun von zehn Getauften "kaum noch oder gar nicht mehr in den Pfarrgemeinden präsent" sind, nachdem wenige Zeilen zuvor noch von der "großen Mehrheit der kirchlich treuen, religiös engagierten und reformerisch aufgeschlossenen Katholiken aus der Mitte des Gottesvolks" die Rede war (allzuviele können das trotz des rhetorisch aufgebotenen Brimboriums dann ja wohl nicht sein) - und schuld dran sind offenbar jene, die die "alte Messe" mögen. An 128 Orten in Deutschland. Unregelmäßig.

Christ in der Gegenwart landet jetzt endgültig auf meiner Abschußliste. Die haben einen an der Waffel.

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