Mittwoch, 24. November 2010

Problem in der Kanonübersetzung

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Fortes Fide schüttete gerade sein Herz aus und kam dabei auf einige Übersetzungsfragen im Römischen Kanon zu sprechen. "Deine Gemeinde" für familiae tuae wurde bereits in den Kommentaren geklärt, die Konsekrationspoesie "für alle" betrifft bekanntlich sämtliche Hochgebete. 


Es gibt spezifisch im Römischen Kanon eine weitere Problemstelle: Das aktuelle Meßbuch paraphrasiert in der Commemoratio pro vivis (Gedächtnis der Lebenden) die Wendung pro spe salutis et incolumitatis suae mit "für ihre Hoffnung auf das unverlierbare Heil". In der Übertragung des alten Schott wird das vorangehend genannte "Opfer des Lobes" (sacrificium laudis) dargebracht, damit die "Hoffnung auf Heil und Wohlfahrt gesichert werde". "Wohlfahrt" überzeugt mich als Übersetzung auch nicht ganz, da dies - zumindest für heutige Ohren - eher nach sozialer Sicherheit klingt, wo es doch um weit Höheres geht. Im klassischen Latein bedeutet der Begriff incolumitas "Unversehrtheit" oder "Erhaltung". Damit kommt man dem Sinn auch am nähesten. 


Gegen die aktuelle Übersetzung ist rein grammatikalisch einzuwenden, daß sich incolumitatis nicht als Adjektiv auf salutis beziehen kann (dann müßte pro spe salutis incolumis im Original stehen), sondern vordergründig als ein zweiter Genitivus obiectivus die Aussage weiterentwickelt: die Hoffnung richtet sich auf das Heil und auf die Unversehrtheit jener Zeitgenossen, für die das Opfer des Lobes dargebracht wird. 


Nun weiß man, daß der Redaktion des Kanon-Textes an einem fließenden Metrum gelegen war. Und bei poetisch orientierter Rede galt in der Antike häufig die Maxime vom Wohlklang, der im Zweifelsfall vor Richtigkeit den Vorrang habe. Mithin läßt sich mutmaßen, daß sich die Unversehrtheit zwar nicht streng grammatikalisch, aber zumindest sinngemäß auf das Heil beziehen könnte. Eine verantwortbare Übersetzung müßte dann von der "Hoffnung auf das unversehrte Heil" sprechen. Da überdies mit incolumitas weit mehr als soziale Sicherheit gemeint sein dürfte, mag diese Paraphrase den eigentlich Sinn sogar treffen. Einer entsprechenden Korrektur bedient sich auch ein mir bekannter Priester bei der Zelebration. 


Eine "Hoffnung auf das unverlierbare Heil" kennt der Römische Kanon jedenfalls nicht. Die Übersetzung ist ebenso falsch wie doppeldeutig und es würde mich nicht wundern, wenn sie einem fortschrittlichen Heilsoptimisten absichtsvoll aus der Feder geflossen ist: Wir kommen ja alle irgendwie sowieso in den Himmel. Zwischenfrage: Warum soll man dann noch hoffen? 


Das Gedächtnis der Lebenden ist das Gedächtnis derer, die in statu viatoris leben, die sich noch auf Pilgerschaft durch das Erdenleben befinden. Hier besteht tatsächlich die Gefahr, daß dieses Heil versehrt werde. Allein hier ergibt Hoffnung einen Sinn - die Hoffnung, daß dieses Heil, dessen Samen der Mensch bereits in sich trägt, wachse und nicht versehrt werde: Hoffnung auf das unversehrte Heil eben. Unverlierbar? Es kann im Stand der Pilgerschaft, der auch der Stand der Hoffnung ist, durchaus verloren werden. Unverlierbar wird es erst in der Vollendung; doch dann spielt die Hoffnung keine Rolle mehr. 

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