Mittwoch, 9. September 2009

Ohne Krawatte zur Hölle fahren

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Auf Breviarium Pauli macht sich Paul derzeit Gedanken, was man denn so zur Messe trägt. Dazu sind mir einige Höhepunkte aus meinen Tagen bei der Hardcore-Tradition wieder in den Sinn gekommen. In diesem Kontext hat mich, ganz ehrlich, der Artikel auf den ersten Blick dann auch leicht in Schrecken versetzt. Denn Paul zitiert anfangs jene Stelle aus dem Ev. Matthäi, dergemäß ein König einen Gast bei einer Hochzeit höchst unsanft vor die Tür setzt, alldieweil der Gast nicht den passenden Fummel (vulgo: hochzeitliches Kleid) im Gepäck hatte. Und dazu habe ich eine sehr spezielle Erinnerung auf Lager ...

Die Sache verhält sich so: Der "tridentinischen Messe" lief ich erstmals in einer Sedisvakantisten-Kapelle über den Weg. Dort besuchte ich eine ganze Weile diese mich trotz der Erbärmlichkeit der Lokalität faszinierende Liturgie und trat auch irgendwann das Harmonium (mit 12 oder 13 Jahren teils als fortgesetzte Ohrenfolter nach geratenen Quadratnoten). Aber weiter: Nach einer Messe im Sedi-Club schnauzte mich eines Tages ein alter Knacker in fiesester Uoffz-Manier an, wie ich es wagen könne, die heilige Kommunion zu empfangen, ohne mir eine Krawatte (!) umgebunden zu haben, und ob ich noch nie etwas vom Gleichnis mit dem hochzeitlichen Kleid gehört hätte: Ich sollte die Hölle offen sehen und mich mitten drin. "Dann sehn wir uns ja wieder" ... wäre wahrscheinlich die einzig angemessene Erwiderung gewesen. Immerhin war damit der Grundstein gelegt für meinen Argwohn jenen besonders Frommen gegenüber, die jedwedes Bitten und Beten in Gottes Haus kritisch beäugen und den Blockwart geben.

Ein weiteres Erlebnis rührt aus meiner Zeit bei den Piusbrüdern. Dort kreuzte eines Sonntages eine (sonst ganz nette) alte Dame in der Sakristei auf, nachdem sie unter den Messbesucherinnen offenkundig eine femme fatale ausgemacht hatte. Das corpus delicti war ein Leibchen. Dessen Dekolleté mag wohl tolerabel gewesen sein, aber die Schulterpartie ward offenbar etwas zu freizügig umspielt. Nun war das mitten im Sommer und der kapelleske Flachbau schon leicht übertemperiert, doch die alte Dame wußte trotzdem Rat: Zu jeder (Jahres-) Zeit mit Strickjäckchen bewehrt, trug sie dem Priester an, dieses zwecks Schulterverhüllung leihweise zur Verfügung zu stellen. Wenn ich mich recht erinnere, konnte ihr der Priester das Ansinnen ausreden, während ich Frau M. schon sah, wie sie sich hinterrücks mit Strickjacke an die ahnungslose Gläubige ranschlich, um mit gezieltem (Über-) Wurf ein wenig Kirchenzucht zu treiben.

Und dann hätte ich noch jene KJB-Gruppe im Angebot, deren weiblicher Teil eines Tages geschlossen einem orthodoxen Anfall erlag. Das nächste halbe Jahr lief man in vorzugsweise erdfarbenen und herumschlabbernden Pullis und Röcken (echte Feger, aber nicht heiß) plus passendem Kopftuch als Jungfrauenzier der Gemeinde auf: Grunge für Tradis sozusagen. Im Vergleich dazu hätte sogar die tütteligste Oma aus Kasachstan bei Heidi Klums Modelshow noch den ersten Preis abgeräumt. Also Mädels: Warum nicht gleich eine Burka? Einen Alternativvorschlag für modebewußtes und traditionskorrektes Auftreten fand ich übrigens in der Sammlung eines Bekannten: hier (man beachte die hochgeschlossene Form, die Kapuze als Schleier- ... äh Kopftuchersatz und das hochjungfräuliche Kettchen im Haar).

Soweit die Anekdötlein. Und was soll man jetzt zur Kirche anziehen? Was immer man mag, sofern es zur Würde der Feier paßt. Das kann übrigens auch der ölverschmierte Blaumann sein oder die rissige Arbeitshose, wenn der Handwerker vor oder nach der Arbeit noch zur Messe kommt. Und meinetwegen auch der Schlabberrock, der Schlabberpulli, das Omakopftuch oder eine Burka. Oder eben eine ordentliche Jeans und ein ansehnliches T-Shirt, zumal man für anständige casual wear heute oft mehr Knete über die Theke schieben muß als für ein altbacken Hemdlein. Es gibt meines Wissens keine Vorschrift, daß Katholiken immer ewig vorgestrig aus der Wäsche schauen müssen (wenngleich ich meinesteils sicher kein trendsetter bin).

Es mag sein, daß ich, einerseits bockig ob des Verhaltens diverser besonders Frommer, andererseits abgehärtet durch die ästhethische Vergewaltigung mittels Schlabberlook, der ganzen Frage zwischenzeitlich mit einem gewissen Laissez-faire begegne. Doch etwas sollte wohl keinesfalls vernachlässigt werden: jenes bestimmte "hochzeitliche Gewand" ... aber das trägt man nicht am Leib, das trägt man um die Seele, auch ohne Krawatte.

9 Kommentare:

Sarah hat gesagt…

diesen Beitrag werde ich meinem Mann vorenthalten ;-)))))))Ich finde schon, dass man, wenn man sich dann zum "Ausgehen" generell chic kleidet, man das auch ruhig in der Kirche tun sollte, aber vielleicht bin ich auch gar nicht aufrichtig in Bezug auf den Hintergrund, sondern einfach nur "verdorft", ich weiss es nicht....Mein Mann ist bis zum kommenden November im Kirchenvorstand und die gehen bei uns kollektieren und da bin ich einmal darauf angesprochen worden, ob ich meinem Mann nicht sagen könnte, dass er doch bitte nicht in 3/4 hose und Sandaletten kollektieren soll. Ich habe es meinem Mann gesagt und er hat mir als Wiedergabe an die Person einen ziemlich arroganten Satz gesagt, den ich so nicht weitergegeben habe....

Pro Spe Salutis hat gesagt…

Beim Vergleich mit dem Ausgehen würde ich Dir grundsätzlich zustimmen, denn natürlich finde auch ich es angemessener, sich für den Gottesdienst ein wenig zurecht zu machen (muß ja nicht gleich ins Aufbrezeln ausarten) ... aber andererseits würde ich deswegen auch niemanden umerziehen wollen, solange der Ist-Zustand zumindest einem kleinsten gemeinsamen Nenner zwischen Meßopfer und Kleiderwahl genügt.

Und wie man sieht, kann man da meines Ermessens rasch über das Ziel hinausschießen: Mich jedenfalls erinnert die Schelte ob einer Dreiviertelhose und Sandaletten beim Kollekte einsammeln mal wieder an meine besonders beliebten besonders Frommen. Ahhhrg !!!

Braut des Lammes hat gesagt…

Sehr schön, danke! Das mit dem Gewand sehe ich auch eher inwendig. Auch sei an den Apostel und die Kirchenväter erinnert, die explizite Aufbrezelei eigentlich nicht haben wollten.

Ich komme zur Hl. Messe in "würdiger" Kleidung – das kann auch ein T-Shirt (mit Ärmeln) umfassen. Vor der Werktagsmesse nach Hause zu fahren, um mich in ein Kostümchen zu werfen, käme mir absurd vor. Der Herr sieht auf das Herz.

Sarah hat gesagt…

Wir sind immer jeden Sommer in Irland und da gehen auch Menschen in Jogging Anzug (wo mein Mann mich jedesmal drauf hinweist, als wäre ich blind) in die Kirche, na ja aber dafür ist die Kirche am Samstag und Sonntag voll

Laurentius Rhenanius hat gesagt…

Sicherlich ist die innere Disposition wichtiger als das äußere Erscheinungsbild. Letztlich aber ist für mich die getragene Kleidung auch Ausdruck meiner Haltung und Wertschätzung.
Ich gehe lieber etwas "zu fein" in die Messe, Vesper,... als zu "lässig". Das fällt zwar auf, aber ich kriege es einfach nicht übers Herz mit karierten Kurzarmhemden und Jeans ins Pfingsthochamt zu gehen, ganz im Gegensatz zu unseren PGR und KV Mitgliedern. This is not my cup of tea!
Übrigens: Die heutige Trennung zwischen "business" und "casual" in der Kleidung ist mir zu grob. Außerdem kommt es nicht auf das Geld an, den ich für ein Kleidungsstück ausgebe. (Ich halte die Preise, die ich da für manches "casual"Teilchen bezahlen soll, schlichtweg für überzogen, da sie meistens in keinem Verhältnis zur Qualität des Stückes stehen.)
Es ist alles eine Frage des Stils und des Stilempfindens, genau wie bei der liturgischen Kleidung. Mancher weiß einfach nicht, wie unmöglich das Getragene zur Person, zum Raum und zum Anlaß paßt! Fingerspitzengefühl!
....Ist das jetzt schon wieder zu elitär geredet?

Paul M hat gesagt…

Das mit den Klamotten ist ein bisschen wie die Sache mit dem Innenraum der Kirche.

In manchen Kirchen schaemt man sich fast ein wenig, wenn man zu gepflegt/festlich/feierlich angezogen ist.

Meine ganz besondere persoenliche Abneigung geniesst der gruene Teppichboden, den die Australier gerne in Vorortkirchen verlegen.

Da passen eigentlich nur Turnschuhe oder Flipflops drauf.

Braut des Lammes hat gesagt…

Wobei man, um es endgültig kompliziert zu machen, noch einwenden könnte, daß auch derjenige, der kollektiert, einen liturgischen Dienst ausübt. Diejenige, die bei uns (TM) in transparenter Kleidung und/oder Radlerhosen und Tanktop die Hostienschale zu bringen pflegt, wird demnächst angesprochen werden müssen. Wo wohnt nochmal die Dame mit dem Strickjäckchen? ;)

Rosenkranz-Atelier hat gesagt…

Ich erinnere ich auch noch mit Grauen an meine Jugend, währen der ich einige Jahre in einer katholisch charismatischen Bewegung verbrachte, in der auch ein ungeschriebener Kleidercodex herrschte, der bewirkte, dass alle jungen Mädels in fast bodenlangen gemusterten Röcken und weissen Spitzenkragenblusen in den gottesdienst gingen. Noch heute sind mir die Fotos peinlich...

Ich mache in Sachen Kleidung einen Unterschied zwischen Werktagsmesse und Sonntagshochamt. Am Sonntag mache ich mich auch ein bisschen schick für den Gottesdienst, aber ohne dass es in Aufbrezeln ausartet;-)
Wenn ich werktags zur Messe geh, ist das aber meistens in Jeans.

Anonym hat gesagt…

Da habe ich mich neulich dabei ertappt, wie ich doch Gift und Galle gedacht (ja, nur gedacht und dann aber doch zu meiner Frau gemurmelt) habe, als...

In den Meinungen oben lese ich doch einen gewissen Konsens heraus, dass wir es mit Sakko/Kleid nicht übertrieben anzugehen haben, aber auch nicht in ein schluddriges laissez faire verfallen sollten; das spiegelt auch so etwa meine Einstellung wider.

...als, da war ich stehengeblieben als ein der Gemeinde wohl vertrauter Mann in einem nicht so frischen weissen Leiberl, kurzen Hosen und breiten Sandalen (konsequenterweise ohne Socken) zum Ambo schlich, um die Lesung zu halten! - Es gibt schlimmeres, klar, aber da sind bei mir (wie oben angedeutet) ein paar Kabel geschmolzen und haben meinen Geist doch kurz und böse entflammen lassen.

Kurzum, ich trage mich weiter mit dem Gedanken, unseren Pfarrer bei nächster Gelegenheit zu bitten, mit einem Teil der Kollekte einen Fundus an Notbekleidung in der Sakristei für derartige Situationen vorzubereiten... das ist natürlich ein Scherz, aber bei Wiederholungstätern will ich den Herrn Pfarrer ansprechen, jawohl!