Mittwoch, 3. November 2010

Gedanken vom Allerseelentag



Unter diesem Kreuz in meiner Pfarrkirche bin ich gestern eine Weile gesessen - vor der Allerseelen-Messe, bei der besonders der Verstorbenen des sich neigenden Jahres gedacht wurde, zu denen auch mein Vater zählt (diese Meßfeier wäre freilich ein Thema für sich, vielleicht schreibe ich in den nächsten Tagen noch etwas darüber). Innerhalb von fünf Jahren habe ich nun alle Menschen verloren, die mich mit ihrer Liebe seit meiner Geburt besonders begleitet hatten. Nachdem mein Vater im Juni gestorben war, schien zudem das letzte irdische Band zu dem, was Herkommen, Wurzelgrund, irgendwie Heimat genannt werden könnte, durchtrennt. 


Heute also saß ich unter diesem Kreuz, dessen corpus dem Vorbild der Wechselburger Kreuzigungsgruppe nachempfunden ist. Und plötzlich war mir, als sei dieses irdische Band, von dem ich eben sprach, doch nicht ganz durchschnitten, als habe ein Faden trotz Tod und Trauer, trotz Verlust und Hinweg-genommen-sein überdauert. Auf dieses Kreuz blickte bereits meine Oma, mein Vater, meine Mutter. Oma und Vater wurden unter diesem Kreuz auch zur Taufe getragen, empfingen unter diesem Kreuz zum ersten Mal die heilige Kommunion. Sie blickten auf diesen Gekreuzigten, und dieser Gekreuzigte blickte auf sie. Und heute saß ich unter diesem Kreuz und schaute hinauf ...


Wie das Kreuz von Golgatha eine Art Brennpunkt des großen Erlösungsdramas ist, so schien mir dieses Kreuz meiner Pfarrkirche, dieses Abbild, dieser Spiegel, dieser "Blickpunkt" heute zu einem Brennpunkt meiner kleinen Welt zu werden - und zu einer Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Ich glaube die Menschen, die ich vermisse, im Blick des Gekreuzigten aufgehoben. Und ich glaube mich selbst darin aufgehoben - und alles und alle vereint im Bild der Liebe Gottes, im Blick des Gekreuzigten auf uns Menschen.


Ich empfehle meinen Vater, meine Mutter, meine Oma heute erneut eurem Gebet. Und ich bete für eure Verstorbenen, für jene, von denen ich nichts weiß, wie für jene, von denen ich weiß ... etwa den Vater von Johannes oder "Mylady" von Eugenie.


+ 2010


+ 2006


+ 2005

Requiescant in pace!

1 Kommentar:

Gabriele hat gesagt…

ein sehr schöner Gedanke