Sonntag, 24. Juli 2011

Wunderbar beschissen

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Wollte man behaupten, es bestünden Zusammenhänge, so wäre das natürlich an den Haaren herbeigezogen. Fest steht aber, daß Freiburg, gemessen an der Größe der Stadt, das bundesweit dichteste Angebot an Psychotherapeuten bietet. Angebot und Nachfrage scheinen in einem gesunden Verhältnis zu stehen. Fest steht auch, daß Freiburg zu den deutschen Esoterikmetropolen zählt. Wer will, findet hier (s)einen Guru, (s)einen Heilsweg und Fitness-Studios, die mit Halbedelsteinen mineralisiertes Wasser ausschenken. Fest steht überdies, daß viele Altachtundzechziger nach ihrem Studium in Freiburg hängengeblieben sind. Schließlich gilt der Breisgau nicht von ungefähr als die Toskana Deutschlands; selbst Linke sehnen sich - Hand aufs Herz - am Ende aller multikulturellen Träume nach einem in sich geschlossenen und identitären Kulturraum, in dem immer die Sonne scheint und nicht nur die Pasta traditionell schmeckt; überdies bietet die Toskana den Vorzug, daß man als Gast den Einheimischen mit einem Höchstmaß an Toleranz begegnen kann, und Toleranz ist richtig - solange sie jedenfalls die Richtigen trifft. Weil sich aber nicht jeder das Original leisten kann, stellt die Stadt Freiburg im Sommer seit jeher stimmungsvolle Kübelpalmen auf und gibt sich tolerant. Vorteilhaft dabei: Sowohl die Kübelpalmen als auch die Toleranz lassen sich im Bedarfsfall aus dem Stadtbild entfernen.
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Eines haben die drei oben benannten Gruppen allweg gemein: Sie schätzen gehobene Wohngegenden mit soziokultureller Homogenität. Sie pappen zum Beispiel als Mitarbeiter linkslastiger Lokalmedien in Supermärkten bestimmter Viertel Suchanfragen an die Infotafeln, auf denen zu lesen steht, man suche eine Wohnung "wo es schön ist (also nicht Haslach, Weingarten)" ... oder wo sonst eben viele Migranten wohnen. Daher leben und weben sie vorzugsweise in der Hanglage von Herdern (wo nebst dem botanischen Garten auch die Psychatrie der Uniklinik nicht weit ist), in der mittleren Wiehre mit ihren gründerzeitlichen Villen und den verlotterten Gärten hinter patinaträchtigen Jugendstilgittern oder im neuen ökokorrekt autofreien Vauban-Quartier, wo die Symphonie der Großstadt der Poesie des Passivhausstandards weicht.
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Die Ökobürger haben auch ihre eigene Band, und weil das Leben des Ökobürgers ein wunderbares ist (denn es gibt im richtigen Leben kein falsches), nennt sich diese Band schier offenbarend Diese wunderbare Band. Ein wenig kratzt man ab und zu zart am Lack des schönen Ökobürgerglücks, zu Hochform läuft man aber auf, wenn man sich aufgeklärt und mit der Wir-erklären-euch-die Welt-Attitüde den wahren Problemen des Erdkreises widmen kann. Benedikt XVI. ist so ein Problem, aber Diese Wunderbare Band hat diesen wunderbar beschissenen Song auf Lager, der sein Zielpublikum in dessen spießiger Weltsicht bestmöglich zu behüten sucht.
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PS Ich weiß nicht, ob ich Stanislaus nun dankbar sein soll, daß er mich wiederholt auf diesen Erguß aufmerksam gemacht hat ... 

3 Kommentare:

Stanislaus hat gesagt…

Bin da - ehrlich gesagt - nur deshalb drauf gestoßen, weil ich "Papst" und "Freiburg" bei youtube eingegeben habe. Eigentlich war ich ja auf der Suche nach diesem Katholikentagssong, den ich dann aber beim zweiten Anlauf finden konnte.

Stanislaus hat gesagt…

Hab's mir gerade nochmal angeschaut: Die Zähne des Sängers ab 1:21 sind ja zum ....

Pro Spe Salutis hat gesagt…

Ich hatte noch überlegt, ob ich auf genau diese Stelle eingehen sollte - nicht der Zähne wegen (meine sind auch nicht eben Vorzeigebeißer), aber ob dieser meschuggenen Illustrationsmimik, die sich in aufgesetzer Gelassenheit löst - eines dieser Stilmittel zur Inszenierung vermeintlicher Authentizität.