Freitag, 22. Juli 2011

St. Maria Magdalena - eine rund tausendjährige Präfation

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Ein Engel reicht der büßenden Maria Magdalena die hl. Kommunion
Fresko von Francesco Antonio Giorgioli - St. Trudpert / Münstertal
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Vere dignum et iustum est , aequum et salutare, Te aeternum et omnipotentem Deum infatigabiliter praedicare tibique in omnibus gratias agere per Iesum Christum Dominum nostrum.
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Qui (ut) perfecte tibi in omnibus beneplacitis tuis deserviret tanta se piae humilitatis deiectione exinanivit, ut cum in tua tecum unus atque perfectus deus esset essentia, assumpta nostrae mortalitatis carne homo fieri vellet in nostra.
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Hic enim peracto suae passionis et mortis triumpho, postquam devicta morte ab inferis remeavit primim se Mariae Magdalenae quondam peccatrici sed iam tunc iustificatae, cuius hodie solemnitas adest, vivum exhibuit et ab ea osculari sibi pedes non renuit.
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Sed etiam preconem suae ressurectionis cunctis discipulis esse premonuit, quatinus ipsius exemplo nec peccator desperet a venia nec iustus tumescat de bonae actionis instantia.
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Et ideo cum Angelis et Archangelis, cum Thronis et Dominationibus cumque omni militia caelestibus exercitus hymnum gloriae tuae canimus, sine fine dicentes: Sanctus ...
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In Wahrheit ist es würdig und recht, gebührend und heilsam, Dich, den ewigen und allmächtigen Gott, unermüdlich zu preisen und Dir in allem zu danken durch Jesus Christus, unseren Herren.
Er diente Dir vollkommen in allem, was Dir wohlgefällig ist, und entäußerte sich durch seine große Hingabe in tiefer Demut so sehr, daß er, obgleich mit Dir der Wesenheit nach ein Gott und vollkommener Gott auch nach Annahme unseres Fleisches, in unserem Fleische Mensch werden wollte.
Er ist es, der nach Vollendung seines triumphalen Leidens und Sterbens und nach dem Sieg über den Tod aus der Unterwelt zurückkehrte und sich zuerst der einstigen, nun aber gerechtfertigten Sünderin Maria Magdalena, deren hoher Tag heute gefeiert wird, als Lebender zeigte und sich nicht weigerte, von ihr seine Füße küssen zu lassen.
Vielmehr hieß er sie, allen Jüngern die Künderin seiner Auferstehung zu sein, aufdaß nach ihrem Beispiel kein Sünder an der Vergebung zweifle, aber auch keine Gerechter sich (würdiger dünke und) überhebe ob vorhandener guter Werke.
Darob singen wir mit den Engeln und Erzengeln, mit den Thronen und Herrschaften und mit der ganzen himmlischen Heerschar den Hochgesang Deiner Herrlichkeit und rufen ohne Ende: Heilig ...
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Diese schöne Präfation zum Fest der hl. Maria Magdalena entstammt dem spanischen Sacramentarium Vicus Ausonensis (um 1038). Den lateinischen Text und die (von mir leicht überarbeitete) Übersetzung habe ich dem Buch Sursum Corda. Hochgebete aus alten lateinischen Liturgien von Alban Dold OSB (Salzburg 1954) entnommen, das ich besonders auch all jenen ans Herz lege, die sich durch nichts in der Welt abhalten lassen, die Meßfeier durch eigenes Zutun kreativ zu ergänzen. Die von Dold versammelten Präfationen sind wenigstens nicht häresieverdächtig.
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So wurde also vor rund eintausend Jahren in der Heiligen Messe das Lob Gottes gesungen, der groß ist in seinen Heiligen, groß in der "einstigen, nun aber gerechtfertigten Sünderin Maria Magdalena". Der Einleitung folgt ein Christuslob, das vor allem Phil 2, 6 sq. reflektiert, wo es von Christus heißt
... ob er wohl in göttlicher Gestalt war, hielt er's nicht für einen Raub, Gott gleich sein, sondern entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an, ward gleich wie ein anderer Mensch und an Gebärden als ein Mensch erfunden, erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz.
Im Blick auf das heutige Fest könnte man womöglich auch sagen, daß es ein weiter Weg war, von Gott hin zu sündigen Menschen, als deren Inbegriff die hl. Maria Magdalena stehen mag. Die Präfation spannt hier einen großen Bogen.
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Doch die Geschichte geht weiter: Auf das Kreuz folgt Auferstehung, auf den Tod das Leben - und hier kommt die Heilige wieder ins Spiel. Auch sie hat einen Weg zurückgelegt, der nicht einfach gewesen sein dürfte - von der Sünde zum neuen Gottesreich. Sie ist die Erste, die dem Auferstandenen begegnet. Ihr, der einstigen Sünderin, wird die Aufgabe übertragen, den Jüngern die Botschaft von der Auferstehung zu überbringen. Die Präfation deutet diese Aussage: Kein Sünder soll an der Möglichkeit des Heils zweifeln. Aber auch: Kein Gläubiger soll sich überheben, denken, er wäre doch viel besser geeignet, viel würdiger, eine solche Aufgabe zu übernehmen.
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Den Auftrag, den Jüngern die Auferstehung zu verkündigen und der Umstand, daß sich die hl. Maria Magdalena sofort zum Auferstandenen bekannte, nachdem sie Ihn erkannt hatte (vgl. Joh 20, 16), schlug sich bis zur Reform von 1962 in besonderer Weise im außerordentlichen römischen Ritus nieder: Neben der Gottesmutter war sie die einzige weibliche Heilige, an deren Festtag das Credo zu beten für die ganze Kirche vorgeschrieben war.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Es gibt acu eine andere Möglichkeit
Bis zur Liturgiereform wurde am Fest der hl. Maria magdalena die Apostelpräfation verwendet
(apostola apostolorum)
Das geht auch im novus ordo
Liebe Grüße aus Salzburg
Georgios

Pro Spe Salutis hat gesagt…

@ Georgios

Danke für den Hinweis. Gibt es zur Verwendung der Apostelpräfation nähere Belege? Ich kann leider keine finden, die auf eine solche Verwendung hindeuten - und es deucht mich, ehrlich gesagt, eher unwahrscheinlich. Umso mehr wäre ich für eine Quelle dankbar!