Es ist eine kleine, aber treue und homogene Gottesdienstgemeinde, die ein Geistlicher in Zollitsch City allmorgendlich zu relativ früher Stund' um sich sammelt. Der nachkonziliare Meßritus verdient hier wirklich die Bezeichnung "ordentlich": Zelebriert wird im Einklang mit den liturgischen Vorschriften, versus Deum und ohne großes Blabla. Die Gläubigen empfangen den Leib des Herrn in großer Mehrheit knieend und auf die Zunge. Zudem wird die heilige Messe immer mittwochs auf lateinisch gefeiert. Der Zelebrant will damit den Wünschen des letzten Konzils Rechnung tragen - es soll "der Gebrauch der lateinischen Sprache ... in den lateinischen Riten erhalten bleiben" (Sacrosanctum Concilium 36) und Sorge getragen werden, "daß die Gläubigen die ihnen zukommenden Teile des Meß-Ordinariums auch lateinisch miteinander sprechen und singen können" (SC 54). Gesungen wird auch; wenngleich eigentlich nur jenes Ordinarium zum Zuge kommt, das als Missa mundi oder, der sehr sparsamen kompositorischen Faktur wegen, als Hartz-IV-Messe oder Aldi-Ordinarium gehandelt wird.
Zum Hochfest der Aufnahme der allerseligsten Jungfrau Maria in den Himmel, welches gerade vor der Tür steht, schlug ich dem Geistlichen vor, die Messe - anlassbezogen und außerhalb der Reihe - ebenfalls auf lateinisch zu feiern. Ich hätte mich, der Sache nicht ganz unkundig, bereit erklärt, den Introitus Signum Magnum, irgendeine volkskompatible Alleluja-Akklamation und vielleicht noch die Antiphona ad Communionem beizusteuern, ferner die Missa de angelis, obwohl mir die eigentlich zu den Ohren raushängt - ebenso wie das "dritte Credo". Was gab's? Ne Abfuhr.
Aber nicht, weil der Geistliche meinen gregorianischen Sangeskünsten mißtraute oder die Dame zu vergraulen fürchtete, die stets mittwochs mutig die Missa mundi intoniert. Damit hätte ich ja noch leben können. Die Begründung war viel schlimmer.
Bei den Gottesdienstbesuchern handele es sich überwiegend um einfache Leute, die des Lateinischen nicht mächtig seien und somit auch nicht wüßten, was da überhaupt gesungen und gebetet würde. Mit dem Introitus Signum magnum wüßten die Gläubigen zum Beispiel nichts anzufangen. Er halte zum Hochfest lieber eine Messe mit deutschen Liedern. Was mich zu der leicht bissigen Bemerkung verleitete, daß "Maria zu lieben" ja auch viel tiefsinniger sei als jener Introitus, dessen Worte der Heiligen Schrift entnommen sind und der in einer hinreißenden Vision ("eine Frau, von der Sonne umkleidet") die Vollendung Mariens an Leib und Seele in den Blick rückt. Die Antwort: Es gebe ja auch noch andere Marienlieder. Mir kamen die Grüssauer Marienrufe in den Sinn: "Muttergottes, wir rufen zu dir" - freilich nicht als adäquater Ersatz für Signum magnum, sondern als Seufzer. Ganz ehrlich ... selbst die hitverdächtige "Wunderschön, prächtige" kann den prägnanten Texten der Kirche, der geheiligten Liturgie der Kirche, dem inspirierten Beten der Kirche nicht das Wasser reichen.
Aber das Volks versteht's halt nicht, so das redundante Argument des von mir sonst außerordentlich geschätzten Zelebranten. Deswegen mag jene eine lateinische Messe, die der Geistliche wöchentlich feiert, genügen. Natürlich bin ich dankbar, daß es überhaupt eine regelmäßige lateinische "Normal"-Messe hier vor Ort gibt. Andererseits glaube ich, daß Benedikt XVI. in seinem Apostolischen Schreiben Sacramentum Caritatis (2007) mit dem Wunsch, die lateinische Sprache in der Kirche wieder heimisch zu machen, kaum den Hintergedanken verband, daß entsprechende Bemühungen nicht mehr als einmal pro Woche angesetzt werden sollten. Ferner kann ich den Rekurs auf das "unverständige" Volk nicht mehr hören. Kaum ein Geistlicher einer gewöhnlichen Pfarrei, dem man als Organist ohne großen Aufwand zu Hochfesten einige lateinische Brocken (etwa eine Pfingstsequenz) unterjubeln will, der nicht mit der üblichen Ausflucht reagierte: "Des verschteht doch kei Mensch do drusse". Wie lang und von wie vielen wird dieser liturgiepädagogische Sondermüll aus der banalen Geist-des-Konzils-Ecke eigentlich noch nachgebetet?
Es geht ja keineswegs darum, die lateinische Messe zur einzig wahren Form der Gottesverehrung zu erklären. Natürlich kann eine Messe in der Landessprache - auf einer spezifischen Ebene jedenfalls - helfen, sich dem Mysterium zu nahen, keine Frage! Aber wenn siebenmal in der Woche dem Herrn die Eucharistie dargebracht wird, dann muß gewiß kein Gläubiger arm und geistlich ausgezehrt sterben, wenn das ohnehin jedem menschlichen Begreifen Entzogene zwei- oder dreimal in einer Sprache gefeiert wird, welche die Kirche rund um den Erdkreis einen sollte. Und wenn das Volksverständnis-Argument gegen die lateinische Messe wirklich sticht, dann wäre ohnehin jede Meßfeier in der Kirchensprache (denkt man die Sache konsequent zu Ende) ein Verstoß gegen die Vernunft. Als ob sich das Mysterium schon einmal von dieser Vernünftigkeit ein Schnippchen hätte schlagen lassen ...
Muß in der Liturgie immer alles übersetzt, verstanden, kapiert, internalisiert, durchschaut und enthüllt werden? Hat nicht schon der Herr Jesus womöglich kräftig daneben gegriffen, als er auf die Idee mit der Feier seiner Hingabe, seines Opfers, seines Leidens und Sterbens kam ... und die ganze Geschichte an Brot und Wein festgezurrt hat? Nehmen wir nur mal dieses "Brot" pro mundi vita, für das Leben der Welt: Es wird gebacken wie Brot, es sieht aus wie Brot, es fühlt sich an wie Brot, es schmeckt wie Brot, es läßt sich beißen wie Brot und schlucken wie Brot. Und doch ist es Christi Leib und kein Brot, nicht mal super "heiliges Brot", sondern Leib Christi, wahrhaft, wirklich, wesenhaft. Erkläre das mal einer! Sollten wir die Messe nicht besser einmotten, weil wir's doch sowieso nicht auf die Reihe kriegen, was da geschieht? Weil's Gottes Werk ist, in das sich der pilgernde Erdenmensch vorläufig nur versenken kann? Weil's das Volk halt nicht versteht? Weil sogar die Theologen und Gelehrten mit ihren kniffligen Meßopfertheorien und ihren eucharistischen disputationes ganz am Ende wie die Ochsen vor dem Berg stehen müssen?
Die Liturgie ist eine Zumutung. Die Kirche fordert den Mut des Glaubenden heraus, sich der Liturgie anzuverwandeln und anzuvertrauen, sich mit dem Mysterium fidei auseinander zu setzen und daran zu wachsen. Die Liturgie hat hingegen nichts zu tun mit einem kalorienreduzierten Seniorenteller im Pflegeheim der selbstgenügsamen Christenseelen, denen man jede Speise nur mundgerecht vorgeschnippselt darreichen darf, damit's auch jeder noch fassen kann.
Ich könnte noch ewig lamentieren, aber mit folgendem Gedanken will ich es bewenden lassen: Nehmen wir also an, daß Volk tut sich mit der lateinischen Messe samt deren Kultsprache und mit dem gregorianischen Choral samt dessen Kirchentönen wirklich sehr schwer ... Hat die Kirche ihre Geistlichen nicht immer wieder ermuntert, diese Schätze den Gläubigen zu heben und nahe zu bringen? Man muß nicht einmal die Pius-Päpste des 20. Jahrhunderts aus der Versenkung zerren, um diesen Wunsch der Kirche zahlreich beglaubigt zu sehen. Ein Blick auf Benedikt reicht auch schon ...
Daily Rome Shot 1189
vor 2 Stunden
6 Kommentare:
Oh... wer hat eigentlich das Vorurteil in die Welt gesetzt, dass man besonders klug sein muss, um Latein können?
Ich mein, ich hab damals Französisch abgewählt und Englisch auf die Nicht-Prüfungsfächer geschoben, weil es viel einfacher und mit viel weniger Fleiß verbunden war eine gute Note in Latein zu bekommen.
Und überhaupt finde ich, dass das Sprachargument garkeins ist. Nicht in einer (Arbeits-)Welt, in der es sich kaum jemand (ich kenne auf jedenfall niemanden) leisten kann, nur eine aktive Sprache zu haben.
Das nenn' ich "jammern auf hohem Niveau". Wenn man schon den Luxus der (werk!-)täglichen Heiligen Messe genießen darf, über die gewählte Sprache sich zu beklagen ...
Hier gibt's unter der Woche bloß zwei Messen, und wenn Beerdigung ist, fallen auch die noch aus.
Liebe Maria Magdalena!
Vielen Dank für Deinen Kommentar, gerade auch, weil er "kritisch" ist. Ich möchte in den nächsten Tagen auf meinem Blog darauf ausführlich reagieren ...
Mit herzlichen Segenswünschen
VC
Lieber VC,
was mir seit Jahr und Tag auffällt, ist die geringe Meinung, die über die geistigen und geistlichen Fähigkeiten des Kirchenvolks in weiten Teilen der Kirchenoberen das Tun und Handeln bestimmt. Danach handelt es sich bei den angeblich so mündig und erwachsen Glaubenden um eine Horde schonenswerter Analphabeten, deren Zorn zu fürchten ist, wenn sie nicht leicht verdauliche Kost bekommen. Ich verstehe diesen vorauseilenden Gehorsam auch nicht. Außerdem stelle ich mir immer die Frage: Woher will er das eigentlich so genau wissen?
Ich halte das für eine schlimme Form der Verachtung der Gläubigen, wenn das wirklich so gemeint ist und nicht eine Schutzbehauptung für irgend eine andere Sache darstellt.
Mit den gleichen Begründungen haben schon sog. aufgeklärte Pfarrer in der Phase des Josephinismus in Österreich die Gemeinden zwangspädagogisiert, bis in den Ablauf der Beerdigung hinein. Das Denken ist m.E: von Vorgestern und nicht zukunftsweisend!
Vortrefflicher Beitrag! Ich habe ihn mit innerer Zustimmung und großer Freude gelesen. Dein Blog ist eine echte Bereicherung.
Der Beitrag spricht mir aus dem Herzen!
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