Freitag, 22. April 2011

Karfreitag - Gastbeitrag von P. Alexander Metz

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Popule meus, quid feci tibi?
Aut in quo contristavi te?

Einen gesegneten und gnadenreichen Karfreitag!

Vom Kreuzweg der Blogozese ist noch ein Beitrag übrig, den mir Pater Alexander Metz aus Thalwil abseits der regulären Meldung zugesandt hatte. In Rücksprache mit Pater Metz veröffentliche ich diesen Text heute am Karfreitag als Gastbeitrag: Jesus begegnet seiner weinenden Mutter, die vierte Station des Kreuzwegs:

Jesus begegnet seiner weinenden Mutter
Kreuzwegstation von Simon Göser
Mariä Krönung, Oberried

Jesus ist auf dem Weg nach Golgotha. Der Schöpfer, verurteilt von seinen eigenen Geschöpfen, quält sich durch die engen Gassen Jerusalems. Auf seinen Schultern trägt er das Kreuz, den Schandpfahl, der zum Siegeszeichen werden wird. Auf seiner Seele lastet die Schuld aller Menschen, aller Zeiten, aller Orten. Alle Sünden, die seit der Erschaffung des Menschen bereits begangen wurden, alle Sünden, die bis zum Ende der Zeiten noch begangen werden. Deine und meine Verbrechen.
Unser Herr, ermattet von den Qualen der vergangen Nacht, fällt mehrere Male auf sein Antlitz – das Kreuz fällt mit ihm. Die Umstehenden erwarten, dass er bereits auf dem Weg nach Kalvaria stirbt. Doch nein, die Liebe bewahrt ihm Kräfte, um seinen Weg, den Weg, den der Vater ihm zugedacht hat, zu vollenden. Es ist die Liebe, die stärker ist als der Tod. Die Liebe, die dreiunddreißig Jahre lang Wohltaten spendend umherzog, die Liebe, die noch vom Kreuz herab ihre Peiniger beim himmlischen Vater entschuldigt, weil sie "nicht wissen, was sie tun".
Eine Masse von Menschen säumt den Weg hinauf nach Golgotha, nicht ahnend, wer es ist, der sein Kreuz an ihnen vorbeiträgt, nicht ahnend, dass das Kreuz und sein Träger gerade Weltgeschichte schreiben.

Inmitten der gaffenden Menge steht eine Frau. Bleich, von Trauer und Schmerz gezeichnet – und doch erhaben und stark wie kein anderer Mensch auf dieser Erde. Mit tränenüberströmten Gesicht wirft sie sich vor ihrem Sohn auf die Knie: Mein Sohn! Mein lieber Sohn! Und Jesus antwortet mit zitternder Stimme: Meine Mutter! Meine liebe Mutter!
Wer mag ermessen, was in diesem Augenblick in der Seele Mariens vorgegangen ist? In der Seele derjenigen, die nie auch nur vom geringsten Hauch der Sünde verdunkelt wurde? Je reiner und heiliger eine Seele ist, desto härter und tiefer empfindet sie den Abgrund der Bosheit und der Sünde. Unsagbar hat Maria gelitten. Helfen wollen und nicht können. Teilhaben am Kelch der vollkommenen Machtlosigkeit angesichts der Leiden derjenigen, die man liebt! Ein hartes Kreuz!
"Weinet, Steine an den Wegen, da die Mutter kommt entgegen! Welch ein Meer von Bitterkeit!"

Die Begegnung zwischen dem geschundenen Herrn und seiner heiligen Mutter – eine qualvolle, und doch – eine tröstende Begegnung. Maria hat aller Verachtung, allem Hohn und Spott getrotzt, um bis zu ihrem Sohn zu gelangen. Sie fragt nicht was die anderen denken. Mutig dringt sie durch die blinde Masse derjenigen, die sehen und doch nicht sehen.  
Als jedermann ihren göttlichen Sohn flucht, hört er inmitten der lärmende Menge die über alles tröstende Stimme: Mein Sohn, ich liebe Dich! Jesus hat in der Begegnung mit seiner Mutter einen Ausgleich für alle unsere Beleidigungen gefunden. Maria ist die einzige, die wirklich sagen konnte: Ich trage keine Schuld am Tod dieses Menschen.

Es ist nicht schwer zu dem zu stehen, der in aller Öffentlichkeit gerühmt wird und keine Feinde hat. Edel und ruhmvoll ist es aber, offen für die Partei zu ergreifen, für die die Welt nur Verachtung bereit hält. Die Freunde im Unglück sind die einzigen wahren Freunde. Maria hat das getan, was sie in ihrem ganzen Leben getan hat. Schweigend und in voller Ergebung in den Willen Gottes, "Ja" zu seinen unfassbaren Plänen zu sagen. Das demütige und vertrauensvolle "Siehe, ich bin die Magd des Herrn, mir geschehe nach deinem Worte" hat sie durchlebt und durchlitten bis unter das Kreuz. Die treue Magd, die ihren Herrn und Meister niemals verlassen hat, ist auch in seiner schwersten Stunde an seiner Seite.

Den Weg, den unser Herr und seine Mutter gegangen sind, ist der Weg, den die Kirche und mit ihr alle, die um die Treue zu Christus ringen, gehen müssen. Die Braut hält dem Bräutigam die Treue und der Knecht steht nicht über seinem Meister. Die Treue im Leid – ein Gradmesser für die Liebe!

Nehmen wir uns die allerseligste Jungfrau zum leuchtenden Vorbild: Trösten wir – nicht durch viele Worte – sondern durch die schweigende Treue im Alltag das beleidigte Herz unseres Erlösers. Bekennen wir uns mutig zum Glauben an unseren Herrn Jesus Christus. Begegnen wir denen, die auch heute wieder Gott aus dieser Welt hinaustreiben und Christus erneut ans Kreuz schlagen wollen in aller Liebe – aber unbeugsam - in der Treue zu unserem Herrn. Seien wir gewiss: Die Mutter, die damals ihren Sohn getröstet hat, wird auch heute ihre Kinder trösten.
Gib mir, Jesus, euch zu lieben, Sohn und Mutter treu verschrieben, jetzt und in der Sterbezeit!

Schlussbetrachtung (sel. John Henry Kardinal Newman)

O gemartertes Herz: Liebe, Schmerz und Furcht waren es, die Dich gebrochen haben; der Anblick der menschlichen Sünden, das Bewusstsein, sie selbst wie eigene zu tragen, lastet wie ein Alp auf Dir; der Eifer für die Ehre Gottes, der Schauder vor dem Wust von Sünden, der so nahe bei Dir war, das Gefühl der Erstickung in dieser Kloake der Menschheit, die tiefe Scham, der Ekel und Widerwille, den es in Dir erregte, dann aber auch wieder das brennende Mitleid mit den Seelen, die trotz Deines Todes freiwillig zur Hölle fahren, – all diese Gedanken und Empfindungen vereinigten sich in Deiner Todesangst, und Du ließest sie wie eine Flut der Trübsal auf Deine Seele niederfließen. Du hast Dich selbst der ganzen Welt des Schmerzes unterworfen; das war Dein Tod. Dieses zarte, reine, edelmütige, wahrhaft souveräne Herz wurde durch die Sünde erstickt.
O zartes, süßes Herz meines Erlösers, wann wird mein Herz einen Teil Deiner Vollkommenheit erlangen? Es ist noch so hart wie Stein, so hochmütig, ungläubig, eng, selbstsüchtig, unrein; wann wird es dem Deinen ähnlich werden? O, so lehre mich wenigstens, Dich gut zu betrachten, dass ich Dich immer besser verstehe und inniger liebe, wie Du mich zuerst geliebt hast! Amen.

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